Heidelberger Lügen
Hörrles jüngsten Unternehmungen.
»Aber was geht denn da vor, um Gottes willen?«, fragte sie fassungslos. »Drehen jetzt alle durch?«
»Diese Frage ist der Grund dafür, dass ich hier sitze.« Ich leerte meinen Cognac und stellte den Schwenker neben die Vase mit den Rosen. »Alles scheint irgendwie miteinander zusammenzuhängen. Der Tod Ihres geschiedenen Mannes, der Mord an McFerrin, sogar Hörrles hirnloser Amoklauf. Und jetzt, nach unserem Gespräch, vermute ich, das Ganze hat mit der Firma zu tun. Vielleicht sogar mit diesem mysteriösen Projekt.«
Sie dachte lange nach. Dann sah sie erst auf die Uhr und dann in mein Gesicht.
»Sie entschuldigen. Ich habe einen Termin beim Friseur um zwei.«
Ich legte ein Visitenkärtchen auf den Tisch und bat sie, mich unbedingt anzurufen, falls ihr noch etwas einfallen sollte.
»Kriminalrat, ist das was Höheres?«, fragte sie mit plötzlichem Interesse.
»Es geht«, erwiderte ich lächelnd. »Manchmal ist es mir zu hoch.«
Als ich vor die Haustür trat, schien die Sonne noch wärmer als zuvor. Vögel probten wieder ihre Frühlingslieder. Der Stau auf der A 5 war länger geworden. Siedend heiß fiel mir ein, dass ich für den Abend noch einen Blumenstrauß für Theresa und irgendeine Kleinigkeit für Liebekind besorgen musste. Vielleicht eine Zigarre, die in seiner Sammlung noch fehlte? Oder lieber eine Flasche Wein? Das war sicherer.
18
Ilsebilse. Wie findet man eine Frau, von der man nichts als den Vornamen kennt? Noch dazu am Wochenende? Auf die Schnelle fiel mir nur eine Möglichkeit ein: das Finanzamt, das ja so gut wie alles über uns weiß. Dort würde ich auch die Namen der restlichen Angestellten von Kriegels Firma erfahren. Aber es ist nicht leicht, am Samstag bei einer Behörde einen auskunftsfreudigen Menschen zu finden. Sönnchen wollte ich nicht schon wieder belästigen. Balke hatte eine ehemalige Freundin, die beim Finanzamt arbeitete, aber auch den mochte ich nach dem gestrigen Zusammenstoß nicht fragen.
Die Uhr der nahen Christuskirche schlug halb drei. Auf dem Küchentisch prangte ein schöner, bunter Frühlingsstrauß für heute Abend. In einer gemütlichen Weinhandlung ganz in der Nähe hatte ich eine gute Flasche Merlot für Liebekind besorgt, da ich von Zigarren entschieden zu wenig verstand. Das Drama konnte seinen Lauf nehmen.
Jetzt erst merkte ich, wie hungrig ich war. So inspizierte ich den Kühlschrank. Aber alles, worauf ich Appetit hatte, machte Arbeit. Und auf alles, was ohne Aufwand zu kochen war, hatte ich keine Lust. Die Zwillinge waren immer noch verschwunden, und nichts macht weniger Spaß, als für sich alleine zu kochen. So schmierte ich mir ein Brot und belegte es mit aufgeschnittenem Käse und Tomatenscheiben. Wehmütig dachte ich an Lorenzos und Marias Kochkünste und streute ein wenig Oregano darüber.
Anschließend leistete ich mir den Luxus, den Küchenmüll selbst hinunterzutragen. So ersparte ich mir den Stress, meine Töchter mit dieser Aufgabe zu belästigen und das damit verbundene Gezänk durchzustehen. Beim Zuklappen der Mülltonne fiel mir ein, wie ich vielleicht doch am Wochenende einen Finanzbeamten finden würde, der mir Auskunft geben konnte. Der Mann, den ich dazu brauchte, stand im Telefonbuch und war sogar zu Hause: Oberfinanzrat a. D. Küpper, McFerrins Wohnungsnachbar. Er erinnerte sich sofort an mich und freute sich.
»Ich müsste ein wenig telefonieren. Vermutlich wird Sie ein Herr Vöhringer anrufen.«
Als er begann, mir von einer wirklich äußerst entzückenden Japanerin vorzuschwärmen, Flötistin bei den Philharmonikern, tauchten zum Glück meine Töchter auf. Sie waren ausgelassener Stimmung und verblüfft, mich anzutreffen.
»Wir haben gedacht, du arbeitest«, staunte Louise.
»Kinder, heute ist Samstag!«
»Klar«, meinte sie achselzuckend. »Trotzdem.«
»Guck mal, was wir uns gekauft haben!«, sagte Sarah. Stolz knöpften sie ihre Jeansjacken auf und präsentierten mir ihre neuen T-Shirts.
»Cool, was?«
»Waren auch gar nicht teuer!«
Mir blieb die Luft weg. »Seid ihr … übergeschnappt? Auf der Stelle bringt ihr diese Dinger zurück!«
»Oh, Mann!«
Mit theatralischen Blicken zur Decke klappten sie ihre Jacken wieder zu.
»Wieso das denn?«
»Ist doch nur Spaß!«
»Mädels, ehrlich, das geht nicht!«
»Aber wieso denn nicht?«
»Ihr könnt doch Englisch?«
»Logo.«
»Und ihr wisst schon, was das bedeutet, was auf euren T-Shirts steht?«
»Wir sind keine Kinder
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