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Heidelberger Lügen

Heidelberger Lügen

Titel: Heidelberger Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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dem Gewissen hatte. Das Motiv im ersten Fall war klar – Geld. Aber warum McFerrin? Vermutlich hatte er versucht, seinen späteren Mörder zu erpressen. Und vielleicht hatte unser Unbekannter schließlich keine andere Möglichkeit mehr gesehen, als den lästigen Mitwisser aus dem Verkehr zu ziehen.
    Dieses Mal musste ich an der Speyerer Straße stehen bleiben und auf Grün warten. Inzwischen wärmten mich die Sonnenstrahlen. Ein seegrüner Van mit fünf oder sechs Kindern auf den hinteren Sitzen kam vorbei. Sie winkten ausgelassen. Ich winkte zurück und hörte sie durch die geschlossenen Scheiben jubeln. Ein Streifenwagen fuhr langsam stadtauswärts. Die beiden Schupos musterten mich argwöhnisch. Als sie mich erkannten, grüßten sie verlegen und fuhren schneller. Die Ampel wurde grün.
    Von Hörrles Mordmethode hatte der Unbekannte vielleicht in der Zeitung gelesen, von seinem Ausbruch im Radio gehört. Und so hatte er kurz entschlossen Hörrles Handschrift imitiert, um den Verdacht auf ihn zu lenken. Wer würde schon einem Kerl Glauben schenken, der mit bloßen Händen seine eigene Frau ermordet hatte?
    Wir mussten diesen Mann auftreiben, dessen Name mit »Bier« begann. Jetzt, nachdem das Geiseldrama zu Ende war, hatten wir Zeit und Leute, um uns darum zu kümmern. Im Fall Kriegel würden wir ihm schwerlich etwas nachweisen können. Aber bei McFerrin musste es für eine Verurteilung reichen. Aufgrund der dürftigen Spurenlage würde es nicht einfach werden, aber unsere Chancen standen gut.
    Als ich die Wohnung wieder betrat, läutete das Telefon. Ich hatte es schon von der Treppe gehört. Es war Balke. Schon der Ton seiner ersten Worte machte mir klar, es war aus mit der sonntäglichen Beschaulichkeit.
    »Haben Sie schon gefrühstückt?«, fragte er heiser.
    »Warum?«
    »Er ist verschwunden. Hörrle. Wir finden keine Leiche im Haus. Fragen Sie mich nicht, wie er es angestellt hat, aber er ist uns durch die Lappen gegangen.«
    Ich setzte mich. Meine Knie waren nicht nur von der ungewohnten Anstrengung weich.
    »In den Sekunden nach der Explosion«, überlegte ich, »der Nebel, die Kameras waren blind, alle haben auf die Tante gestarrt …«
    »Exakt das vermute ich auch. Und in dem ganzen Chaos muss er irgendwie getürmt sein. Sind Sie gerannt? Sie schnaufen so.«
    »Aber er musste über die Straße! Irgendwer hätte ihn sehen müssen!«
    »Nicht ganz. Er hat sich einfach im Schuppen am Ende des Grundstücks versteckt. Wir haben dort Spuren gefunden. Von der Küchentür hat er nur zwei, drei Sekunden gebraucht bis dorthin. Und alles gut durch den Nebel getarnt, den wir ihm freundlicherweise zur Verfügung gestellt haben.«
    »Und später, als alles ruhig war, ist er in aller Seelenruhe davonspaziert.« Mir war nicht klar, ob der Schweiß, den ich mir von der Stirn wischte, von der Anstrengung herrührte oder von den neuesten Entwicklungen im Fall Hörrle. »Okay. Veranlassen Sie das Übliche. Ich dusche kurz, wir treffen uns später in meinem Büro.«
    »Das Übliche ist schon veranlasst. Und noch was …«
    »Keine schlechten Nachrichten mehr. Wir haben Sonntag.«
    »Ich kann’s nicht ändern.« Balke lachte. »In dem Schuppen war ein Fahrrad. Und das ist jetzt verschwunden. Trotz Sonntag. Sorry.«
     
    »Was ist mit der Tante?«
    Vangelis schlug die Beine übereinander, zupfte ihren Rock zurecht und gähnte. Sie war bodenlos wütend. »Die liegt im Kurpfalzkrankenhaus und erholt sich von ihrem Schreck. Sie ist aber schon wieder ganz munter.«
    »Hat schon jemand mit ihr gesprochen?«
    Balke gähnte ebenfalls. Aber trotz seiner Beulen und Schrammen im Gesicht, trotz der Pleite in Wieblingen, schien er heute gut gelaunt zu sein.
    »Die Ärzte meinen, sie braucht noch ein paar Stunden, bis sie vernehmungsfähig ist«, erwiderte Vangelis.
    »Ich rede mit ihr. Sie kümmern sich um den Rest.«
    »Wohin kann er wollen?«, fragte Balke mehr sich selbst als uns. »Was, zur Hölle, hat der Irre vor?«
    Ich berichtete von meiner Theorie.
    »Sie meinen, er kennt McFerrins Mörder?«
    »Ich vermute, die beiden standen die ganze Zeit miteinander in Verbindung. An dem Abend, als er in Bad Friedrichshall war, hat McFerrin Hörrle eine Nachricht zukommen lassen. Wenige Stunden später ist er ausgebrochen.«
    »Das ist doch sonnenklar.« Balke grinste in die Runde wie ein Schuljunge, der gerade einen genialen Streich ausgeheckt hat. »Hörrle will sich das viele schöne Geld holen.«
    »Richtig. McFerrin muss irgendwie

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