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Heidelberger Lügen

Heidelberger Lügen

Titel: Heidelberger Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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ob genug Kerzen da sind, ob Batterien in der Taschenlampe sind.«
    Also hatte Hörrle sich von der ersten Sekunde an auf eine Belagerung eingerichtet. Warum? Warum hatte er sich nicht mit dem Nötigsten eingedeckt und zugesehen, dass er weiterkam? Seinen Vorsprung genutzt? Warum hatte er sich in dem Haus verbarrikadiert? Worauf hatte er gewartet?
    »Später ist er runter zu seinen Sachen.«
    »Welche Sachen?«
    »Dieses Zeug im Keller. Er hat da einen Raum gehabt, die alte Waschküche. Früher war das seine Bastelbude, und später hat er da eben sein Zeug gehabt. Gewehre, Pistolen, Funkgeräte, was weiß ich. Ich hab da ja nie reingucken dürfen. Er hat’s mir verboten! In meinem eigenen Haus verboten!«
    »Seit wann lagen die Sachen dort unten?«
    Sie schien zu überlegen, ob sie sich mit einer Aussage selbst belastete. »Der hat ja schon mit sechzehn angefangen, solchen Krempel zu sammeln. Anfangs hat er nur ein Luftgewehr gehabt, mit dem hat er Spatzen geschossen. Am Ende hat er eine richtige Ausrüstung gehabt. Sogar eine Maschinenpistole, eine Uzi und so ein Präzisionsgewehr für Scharfschützen und Sprengstoff mit Zündern und alle möglichen elektronischen Geräte.«
    »Und da haben Sie keine Angst gehabt all die Jahre?«
    »Woher soll ich denn ahnen, dass dieser Idiot auf seine eigenen Leute schießt? Und ich hab ja auch gar nicht so genau gewusst, was er da im Keller immer bastelt und lötet. War mir auch egal. Lieber tüftelt er im Keller, als dass er auf der Straße rumhängt, hab ich gedacht. Da macht er wenigstens keine Dummheiten, hab ich gedacht, ich blöde Kuh.«
    Später hatte Hörrle sie losgebunden und ihr das Pflaster vom Mund gerissen. Sie hatte ihm versprechen müssen, nicht herumzuschreien und keinen Ausbruch zu versuchen.
    »Das Telefon hat er gleich rausgezogen, der Mistbeutel, und im Schrank eingeschlossen. Und die Türen verrammelt mit allem, was er finden konnte.«
    »Und dann?«
    »Nichts. Wir haben da gehockt und uns dumm und dämlich gelangweilt. Nur das Radio hat er dauernd angehabt, wegen den Nachrichten, und manchmal auch den Fernseher. Wenn was über ihn gekommen ist, dann hat er gelacht. Nur ein Mal, wie sie gesagt haben, er hätte diesen Typ umgelegt, den mit dem schottischen Namen, da hat er sich furchtbar aufgeregt.«
    »Ich weiß. Daraufhin hat er mich angerufen.«
    »Sie sind das gewesen?« Sie betrachtete mich neugierig. »Dann sag ich lieber nicht, was er alles über Sie abgelästert hat. Sonst werd ich am Ende noch wegen Majestätsbeleidigung verknackt.«
    »Sonst hat er unseres Wissens nie telefoniert.«
    »Aber wie! Immer wieder!«
    »Das kann nicht sein. Die Leitung war angezapft. Wir hätten es gemerkt.«
    »Er hat ein Handy gehabt.«
    »Da war nie ein Handy eingeschaltet. Unsere Messgeräte haben jedenfalls nichts angezeigt.«
    »Was weiß ich, wie er das wieder angestellt hat. Ich versteh ja nichts davon. Aber der Vitus, der kennt sich aus mit so Zeug. Wie oft hat er getönt, er könnt’s mit jedem Geheimdienst der Welt aufnehmen bei dem ganzen Zeug in meiner alten Waschküche!«
    »Können Sie sagen, mit wem er telefoniert hat?«
    »Er ist immer rausgegangen dazu. Und wenn ich lausche, hat er gesagt, dann legt er mich um.«
    »War er immer schon so gewalttätig?«
    »Ich weiß nicht. Ja. Schon.« Sie sah zum Fenster hinaus und schnaufte. »Die Irene, das ist meine Schwester, ist ihm keine gute Mutter gewesen. Sie war gerade mal siebzehn, als sie ihn gekriegt hat. Wie er klein war, da hat sie ihn zwei, drei Mal um ein Haar totgeschlagen. Drum hat das Jugendamt ihn dann ins Heim gesteckt.« Plötzlich starrte sie mich an. »Und ich dumme Kuh hab ihn zu mir genommen, weil er mir Leid getan hat. Da ist er acht gewesen und – na ja – eigentlich ein ganz Netter. Aber wissen Sie, was er gemacht hat? Noch keine vier Wochen ist er bei mir, da prügelt er meine Katze windelweich. Nur, weil sie ihn ein bisschen gekratzt hat! Und dabei ist sie noch so jung gewesen und so lieb und eine hübsche dazu! Nicht so eine Kratzbürste, wie ich jetzt eine hab.« Ihr Blick wurde trüb. »Ihr habt nicht zufällig eine graue Katze gefunden? So eine kleine, drahtige, die sich nicht anfassen lässt?«
    Verlegen schüttelte ich den Kopf.
    »Na ja«, murmelte sie nach kurzem Schweigen. »Werd ich mir eine neue holen müssen. Katzen gibt’s ja jede Menge.«
    »Dieses Handy, hat das auch zu seiner Ausrüstung gehört?«
    »Das ist kein richtiges Handy gewesen. Es war viel größer als

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