Heidenmauer
Küche und stellte es auf den Tisch »Inwiefern haben Sie sich um die Wohnung gekümmert?«
Hedwig Kohler zuckte mit den Schultern. »Die Post reingenommen … er hat viel Post bekommen, wissen Sie, größere Buchsendungen, und die haben nie in den Briefkasten gepasst, ja und dann Blumen gegossen, bei Ableseterminen die Leute hereingelassen, aufgepasst eben und so …«
»Sie machen auch den Garten unten vor dem Haus, nicht wahr?«
»Ja, sicher. Ich liebe Gartenarbeit.«
»Die hier«, sie wies mit einer sanften Bewegung auf den Dahlienstrauß, »die sind von Ihnen, nicht wahr?«
»Mhm.«
»Wann haben Sie Herrn Bamm denn zuletzt gesehen, oder mit ihm Kontakt gehabt, telefoniert vielleicht.«
Sie musste nicht überlegen. »Am Donnerstag, das war am Donnerstag. Wir sind am Freitag schon weggefahren, und er wollte auf die Mainau fahren, glaube ich, oder in die Schweiz. Genau weiß ich das nicht mehr, Entschuldigung.«
»Ist schon in Ordnung. Wissen Sie etwas über seine Freunde, Familie, Bekannte? Wir stehen da noch am Anfang.«
»Er hat eine Schwester, ich kann Ihnen die Adresse geben, auch die Telefonnummer, die hat er da hinten am Schreibtisch. Sonst gibt es da nur noch seine geschiedene Frau und die Tochter. Die war ab und zu mal da, so einmal im Monat für ein Wochenende. Hier in Lindau ist er nicht so verhaftet gewesen, aber seine Freunde, alles Berliner, da war er ja auch her, also die sind immer gerne hier zu Besuch gewesen«, sie sah sich um, »war ja auch schön. Und die Mutter, na ja, sie kriegt nichts mehr mit …«
»Wissen Sie vielleicht, an welchem Thema er gerade gearbeitet hat?«
»Oh, er hatte immer viel zu tun, hat ja für alle großen Zeitungen und Magazine geschrieben. Manche haben bei ihm auch schreiben lassen und dann unter ihrem Namen veröffentlicht. Soweit ich weiß, ging es gerade um Gemälde. Er arbeitete an einem Buch über die Lebensgeschichte von Gemälden. Er hat einem Verlag ein paar Geschichten vorgelegt; und die haben das sofort haben wollen, haben auch gleich einen satten Vorschuss gezahlt.«
»Wirtschaftlich ging es ihm nicht schlecht«, stellte Schielin fest und sah sich um.
»Nein. Er hat gut verdient, sicher. Besonders reich ist er nun aber auch nicht, wissen Sie, seine Frau und die Tochter, da ging viel Geld hin, und er hat das Leben auch genossen, war viel unterwegs, Reisen, Hotels, Essen, Trinken. Da war er nicht sparsam.«
»Hier sind doch sicher Sachen, die er geschrieben hat, nicht wahr?«
Sie wies mit der Hand zum Regal in ihrem Rücken, ohne die Augen vom Fenster zu nehmen. »Da hinten sind die Ordner, in denen er seine publizierten Texte aufbewahrt, und im Regal stehen die Bücher, die er geschrieben hat, überwiegend Themen, die mit Kunst zu tun hatten.«
»Kunst?«
»Er hat Germanistik und Kunstgeschichte studiert, irgendwas mit Literatur auch noch … zu Beginn hat er bei verschiedenen Zeitungen im Feuilleton gearbeitet … aber schon immer Bücher geschrieben und so …«
»Was war er so für ein Mensch, Frau Kohler?«, fragte Lydia Naber. Sie erhielt keine Antwort.
»Wie ist es denn passiert?«, wollte Hedwig Kohler stattdessen wissen und starrte weiter aus dem Fenster.
»Man hat ihn erschlagen«, antwortete Schielin.
Sie zog ihre Unterlippe in den Mund und kaute darauf herum. Sonst war keine Reaktion festzustellen. Gerade als Lydia Naber eine nächste Frage stellen wollte, war vom Gang her Klopfen an der Tür zu vernehmen, und eine ärgerlich klingende Männerstimme rief, »Hedi! Heeedi!«
Schielin ging und öffnete die Tür. Ein überraschtes Gesicht wich vor ihm zurück, um ihn gleich darauf anzuherrschen: »Was ist denn hier los, und was soll das mit dem Siegel hier!« Der Mann hatte einen Gipsfuß und stützte sich auf eine Krücke. Schielin holte ihn in die Wohnung. Er humpelte bis zum Sofa. Seine Frau sah ihn mit großen Augen an und sagte leise. »Stell dir vor. Der Günther Bamm ist umgebracht worden, erschlagen.«
»Tot?«, fragte ihr Mann, und es klang mehr verwundert als erschrocken.
»Ja, tot«, bestätigte Lydia Naber.
Er drehte sich um, humpelte zurück zum Ausgang und brummte halblaut, mit einem vorwurfsvollen Unterton in den Gang: »Natalja kommt gleich von der Schule.«
Hedwig Kohler sagte: »Wissen Sie, mein Mann ist Lehrer und politisch sehr engagiert.«
Fast wäre Schielin ein »Ohje!« herausgerutscht. Er wunderte sich über die barsche Reaktion des Gipsfußes.
Lydia Naber sah sie nachdenklich an und spielte dabei mit
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