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Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Purpurmond
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begann sie, und um sie nicht in die Verlegenheit zu bringen, entweder einen Mann Gottes anzulügen oder meine Tarnung auffliegen zu lassen, fiel ich ihr hastig ins Wort: »Ja, das ist die Abkürzung von Conrad. Eure Schwester war so freundlich, meine Wunde zu verarzten«, sagte ich und deutete auf mein blutiges Hosenbein. »Verzeiht, dass ich so unfreundlich war, aber wir dachten, es sei Richter Förg, der zurückgekommen wäre. Ich wollte Eure Schwester beschützen«, formulierte ich sorgfältig.
    Die vielen »Euchs« samt der gestelzten Konjunktive gingen mir schon recht flott von den Lippen, dachte ich zufrieden. Als ich Jakobs Gesichtsausdruck sah, war ich jedoch schlagartig ernüchtert.
    »Förg. Er war … hier?«, vergewisserte er sich, und seine offensichtliche Bestürzung ließ die alte Angst in mir aufflammen.
    Dorothea blickte ihren Bruder wortlos an. Und Jakob nickte. Eine schweigende Übereinstimmung schien zwischen den beiden zu herrschen, als würden sie sich über einen geheimen Code verständigen. Ich fühlte mich so überflüssig wie ein Kühlschrank am Nordpol.
    »Ich lasse euch mal lieber alleine, dann könnt ihr in Ruhe miteinander sprechen«, sagte ich.
    Dorothea wandte den Kopf, und ihre Locken flogen, als sie mich ängstlich ansah. »Cat, bitte, geh nicht …«, fing sie an, doch ich winkte ab.
    »Ich warte vor der Tür«, erklärte ich mit einem Lächeln, das aufmunternd wirken sollte, aber wahrscheinlich hoffnungslos verrutscht war, wie Butter in der heißen Pfanne.
    Ich verließ den Raum, doch Dorothea lief mir nach. »Als Klosternovize ist Jakob jeglicher Umgang mit dem Weibsvolk untersagt. Das gilt auch für seine eigene Schwester«, erklärte sie leise. »Weil er aber weiß, wie allein ich oft bin, schleicht er sich manchmal heimlich durch ein Loch in der Hecke des Klostergartens an der Pforte vorbei«, wisperte sie.
    Ich nickte und drückte als Zeichen des Verständnisses kurz ihre Hand, ehe ich die Tür hinter mir schloss. Tief durchatmend schaute ich in den Sternenhimmel. Hoffentlich dauerte das Gespräch nicht Stunden. Abgesehen davon, dass es nachts empfindlich kalt wurde, wollte ich Dorothea unbedingt noch nach der Hexe fragen, die meinen Halsreif verflucht haben könnte. Denn nur deswegen war ich schließlich hierhergekommen.
    Fröstelnd blickte ich zum Himmel auf, an dessen Firmament die Sterne silberkalt in die Ewigkeit leuchteten. Sie scherten sich nicht darum, welches Jahrhundert hier unten auf der Erde herrschte und ob Menschen verflucht waren …
    Eine drängende Vorahnung, als könnte ich sehen, wie die Zeit mit großer Geschwindigkeit durch eine Sanduhr lief, machte sich in mir breit. Ich durfte nicht mehr warten. Ich musste Dorothea jetzt sofort nach der Frau mit den magischen Kräften fragen. Egal, ob Jakob noch da war und was er davon hielt. Ich wollte nach der Tür fassen, um ins Haus zu gehen, doch ich griff ins Leere. Die Sterne am Nachthimmel begannen zu kreiseln und wirbelten immer schneller in einem irrlichternden Tanz um mich herum. Eine Sternschnuppe schien zu fallen, sie hatte einen purpurschwarzen Schweif, der sich zu einer Spirale verdichtete …
    »Nein«, stöhnte ich, weil ich ahnte, was das zu bedeuten hatte. Aber ich war noch nicht bereit zurückzureisen, ich musste nach der Hexe suchen, den Fluch lösen …
    Doch der dunkle Strudel zog mich unerbittlich in seine Tiefen, ich glitt durch die Zeit und verlor die Orientierung …
     
    Mit einem Ruck fuhr ich hoch. Ich lag wieder in meinem Zimmer. Der Verband hing in Fetzen an meinem Bein herunter, und auch die altertümliche Männerkleidung war in keinem besonders schicken Zustand. Ganz zu schweigen von meinen geliebten Turnschuhen, die nach jeder Zeitreise schäbiger aussahen.
    Schade, dass der Gestank nicht verschwunden ist, der von den ollen Klamotten ausgeht, dachte ich und rümpfte die Nase.
    Wenn ich die Klamotten behalten wollte, würde ich Hose, Hemd und vor allem die Kappe gründlich waschen und ein paar Löcher stopfen müssen. Vorsichtig streifte ich das Hosenbein nach oben und nahm die Reste des Verbands ab: Die Wunde war verschwunden. Nur ein heller Strich, fein wie ein weißer Faden, zeugte davon, dass ich gestolpert war. Resigniert dachte ich, dass 300 Jahre ja auch reichen mussten, um eine Verletzung heilen zu lassen.
    Beim Gedanken an das 17. Jahrhundert überfiel mich ein Gefühl der Ernüchterung. Ich hatte versagt. Ich brauchte mir nicht einmal an den Hals zu fassen, um zu wissen: Der

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