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Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Purpurmond
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ich und versuchte, meine Stimme möglichst tief und laut klingen zu lassen.
    Offenbar mit Erfolg, denn dem Richter fiel die Kinnlade vor Verblüffung fast bis auf seinen spitzenbesetzten Kragen herunter. Allerdings nur für eine Sekunde, dann trat er dicht vor mich hin und zischte: »Wie könnt Ihr es wagen? Wisst Ihr nicht, wer ich bin?«
    »Doch«, gab ich frech zurück, »aber IHR scheint nicht zu wissen, wer ICH bin.«
    Tja, wer war ich eigentlich? Leider wusste ich an diesem Punkt auch nicht mehr so recht weiter und verfluchte meine Angewohnheit, erst zu reden und dann nachzudenken. Zum Glück war Förg durch meine Unverfrorenheit erst mal schachmatt gesetzt. In der darauf folgenden Stille überlegte ich fieberhaft, für wen ich mich ausgeben könnte. Leider fiel mir nur ein Dichter des Barock ein, über den wir neulich im Deutschunterricht gesprochen hatten und dessen Namen ich mir nur deshalb gemerkt hatte, weil er wie aus einem Monty-Python-Film klang. Aber es war meine einzige Chance.
    »Ich bin ein direkter Nachkomme derer von Hoffmann von Hoffmannswaldau, mein Vetter bekleidet das Amt des Landeshauptmanns im Bistum Breslau«, fabulierte ich so hochgestochen wie möglich, während ich insgeheim beschloss, meine grässliche Deutschlehrerin ab sofort in mein Nachtgebet einzuschließen. Ohne ihre öden Ausführungen vor einer Woche wäre ich jetzt nämlich ganz schön blank gewesen. Ich hoffte nur, der Richter würde nicht weiter nachbohren, denn ab hier war ich mit meinem Latein am Ende. Vor allem wollte mir partout der Vorname meines »Vetters« nicht einfallen. Allerdings tröstete ich mich mit dem Gedanken, dass ein Bamberger Richter im 17. Jahrhundert garantiert noch nichts von einem Landeshauptmann und Lyriker aus Breslau gehört hatte. Manchmal ist eine Welt ohne Wikipedia und Google durchaus nützlich, dachte ich.
    Tatsächlich schien Förg wider Willen beeindruckt. »Und was führt euch in diese Gegend, verehrter Hoffmann von, hm … Hoffwald …«, fragte er forsch, doch es war ihm anzuhören, dass ihn ein Großteil seiner Selbstsicherheit verlassen hatte.
    »Geschäfte, lieber Richter, Geschäfte«, tat ich so gönnerhaft wie möglich, und ehe er zu einer Erwiderung ansetzen konnte, fügte ich hinzu: »Und nun wollt Ihr uns bitte entschuldigen, ich habe mit Dorothea einige Wichtigkeiten zu besprechen, was sicher den gesamten Abend in Anspruch nehmen wird.«
    Ich hoffte, meine Anspielung war deutlich genug und würde diesen schrecklichen Mann vorerst vertreiben.
    Die kalten Augen des Richters verengten sich zu zwei schwarzen Schlitzen. »Interessant. Offenbar kennt Ihr die junge Flockin! Ich frage mich nur, woher – wenn Ihr doch aus Breslau stammt?«, fragte er. Sein Gesicht blieb unbewegt, doch in seinen dunklen Augen blitzte Triumph.
    Mist, dachte ich, der Typ war zwar ekelhaft, aber leider nicht blöde. Hektisch durchkämmte ich mein Hirn nach einer plausiblen Erklärung, als plötzlich Dorotheas helle Stimme erklang: »Conrad«, sie betonte den Namen, »ist ein Freund meines Bruders. Er war eine Zeitlang Gast in dessen Kloster. Die beiden widmeten sich dort dem Studium der Heiligen Schrift.«
    Wahrscheinlich starrte ich sie genauso verblüfft an wie der Richter. Von ihrer Seite hätte ich am wenigsten Schützenhilfe erwartet. Ich beeilte mich aber zu nicken und Förg dabei so siegessicher zu fixieren, wie es mir nur möglich war. Insgeheim fühlte ich mich wie ein ertapptes Karnickel im Salatfeld, das direkt in den Gewehrlauf des Bauern blickt. Doch der Richter spürte wohl, dass er auf verlorenem Posten stand. Mit einem angedeuteten Nicken drehte er sich auf dem Absatz um und sagte spöttisch: »Dann wünsche ich erbauliche Gespräche.«
    Weder Dorothea noch ich brachten einen Gruß über die Lippen, wir sahen uns nur an, und Dorothea nickte ebenfalls knapp. Förg war schon beinahe zur Tür hinaus, als er sich noch einmal umwandte. Blanke Wut stand in sein Gesicht geschrieben, doch er verzog den Mund erneut zu seinem abstoßenden Raubtierlächeln und sagte: »Und denke sie daran, Flockin: Geduld ist ein Baum, dessen Wurzel bitter, dessen Frucht aber süß ist. Und ich bevorzuge die Süße, nicht die Bitternis.« Mit diesem kryptischen Satz rauschte er endlich ab.
    Ich sah mich nach Dorothea um. »Also, das war echt clever, deinen Bruder als einen Freund von mir auszugeben …«, fing ich an. Da sah ich, dass ihre Augen voller Tränen standen und ihre Lippen zitterten. »Dorothea! Was ist

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