Heike Eva Schmidt
klopfte ich an die wurmstichige Holztüre. Nichts tat sich. Ich pochte nochmals dagegen, diesmal mit der Faust.
»Dorothea, ich bin es, Cat!«, rief ich sicherheitshalber, denn vielleicht traute sie sich nicht zu öffnen, aus Angst, es könne wieder dieser Widerling Förg sein. Doch auch jetzt rührte sich nichts. Keine Diele knarrte, kein Vorhang bewegte sich. Vielleicht ist Dorothea Kräuter sammeln, dachte ich. Wohl oder übel beschloss ich zu warten, ich hatte ja nicht wirklich eine andere Wahl.
Ich tigerte um das Häuschen herum und sah, dass sich an dessen Rückseite ein kleiner, sauber angelegter Kräutergarten befand. Ein niedriger Zaun sollte hungrige und buddelwütige Eindringlinge abhalten. Vorsichtig stieg ich über die fast hüfthohen, in den Boden gerammten Holzlatten und betrachtete die ordentlich abgezirkelten Beete, in denen es blühte und grünte. Ich bewunderte die kräuterkundige Dorothea für ihre Fähigkeiten. Ich selbst konnte eine Brennnessel nicht von einer Pfefferminze unterscheiden und hätte den Leuten sicher giftige Maiglöckchenblätter anstelle von schmackhaftem Bärlauch angedreht.
In der Mitte des Gartens befand sich ein Kreis aus Sand. Dort lag ein runder Stein, auf dem reliefartig eine Sonne und einfach geformte Sterne aus Ton angebracht waren. Eine Art dreieckige Metallscheibe stakte wie eine spitze Scherbe im Inneren des Kreises. Es dauerte einige Sekunden, bis ich kapierte, dass dies eine Sonnenuhr war. So maß Dorothea also die Zeit! Ich blickte bewundernd auf das liebevoll gestaltete Areal. Ein eigenartiger Zauber schien über dem Ort zu liegen. Die Maisonne schien warm vom Frühsommerhimmel. Über den Beeten summten eilfertige Bienen. Pummeligträge Hummeln taumelten von Blüte zu Blüte, wie Frauen, die samstags zwischen bunten Marktständen herumschlenderten. In der Luft hing der Geruch nach Minze, Thymian, Rosmarin und warmer Erde wie ein weicher, duftender Seidenschal. Ein eigentümlicher Friede überkam mich, und ich verstand plötzlich, warum manche Leute so auf einen eigenen Garten abfuhren. Am liebsten hätte ich mich zwischen den wuchernden Gewächsen ausgestreckt und den Rest des Tages faul in der Sonne gelegen und die herrlichen Gerüche in mich aufgesogen.
Als ich mich zu einer Pflanze hinunterbeugte, die aussah wie Petersilie, aber zu meiner Verwunderung eher nach Gurke roch, bemerkte ich, dass ihre kleinen, gezackten Blätter schlapp am Stengel hingen. Auch die anderen Pflanzen wirkten, als wären sie seit längerem nicht gegossen worden. Mein Blick fiel auf ein kleines, steinernes Becken, das am Rande des Gartens stand und zur Hälfte voll war – wahrscheinlich mit Regenwasser. Ohne lange darüber nachzudenken, griff ich nach einem Tonkrug, der auf dem Rand des Bassins stand, und tauchte ihn in das steinerne Rund.
Ich war gerade das dritte Mal gelaufen und wässerte eifrig ein paar Lauchstangen, deren dünne Halme wie grüne Rastazöpfe aus einem der Beete ragten, als ich plötzlich das Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Ruckartig hob ich den Kopf, in der Erwartung, Dorothea am Zaun stehen zu sehen. Aber es war nur eine alte Frau ohne Schuhe und in einem einfachen Kleid, das fast bis unters Kinn hochgeschlossen war. Misstrauisch hielt sie sich die rechte Hand über die Augen, um sie von der Sonne abzuschirmen, und musterte mich, während sie sich mit der linken auf eine Zaunlatte stützte, wie um dort Sicherheit zu finden. Ich hob beschwichtigend den Krug, wobei ich mir versehentlich Wasser auf den Fuß goss, und rief: »Ich bin eine … äh … ein Freund von Dorothea. Sie hat mir vor kurzem geholfen. Ich wollte … also, ich habe ein Anliegen …«
Ich verstummte hilflos. Wie sollte ich der Alten erklären, dass ich Dorothea unbedingt sprechen und ihr das Leben retten musste, damit mein eigenes nicht vorzeitig endete?
Noch während ich, unter meiner Männerkappe schwitzend, nach einer vernünftigen Erklärung suchte, wandte sich die Frau ab. Über die Schulter sagte sie tonlos: »Eure Mühe ist vergebens. Die junge Flockin werdet Ihr hier nicht mehr antreffen. Geht, Ihr verschwendet Eure Zeit.«
Damit wollte sie davonschlurfen. Achtlos stellte ich den Krug beiseite und sprintete zum Zaun. »He, Moment mal, warten Sie! Äh, ich meine: Wartet! Was ist mit Dorothea? Sie ist doch nicht etwa … ich meine … sie ist doch am Leben, oder?«, rief ich panisch.
Die alte Frau war stehen geblieben und musterte mich aus zusammengekniffenen Augen. Anscheinend
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