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Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Purpurmond
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einfiel, was »Kontemplation« nun gleich wieder bedeutete, knallte das hölzerne Fenster der Pforte zu. Ich hörte, wie sich die Schritte des Mannes entfernten, und wusste, dass ein erneutes Klopfen keinen Zweck hatte. Ich war so frustriert, dass ich am liebsten das »F-Wort« gesagt hätte. Nur die Angst, auf der Stelle in Flammen aufzugehen und zu einem Häuflein Asche zu verbrennen – zur Strafe fürs Fluchen an einem geweihten Ort –, hielt mich davon ab.
    Mit hängendem Kopf trottete ich davon. Dieses Kloster ist ja schlimmer als Knast, dachte ich verbittert. Jetzt fiel mir auch die Bedeutung von »Kontemplation« wieder ein: Konzentration auf die klösterliche Gemeinschaft und null Außenkontakt. Ich schüttelte den Kopf: Kein Wunder, dass Jakob seine Schwester nur heimlich besuchen konnte … Bei diesem Gedanken blieb ich abrupt stehen. Ich fühlte mich, als hätte ich beim »Glücksrad« den richtigen Buchstaben gekauft und damit das Lösungswort geknackt. Dorotheas Worte klangen in meinen Ohren: » … daher schleicht er sich manchmal heimlich durch ein Loch in der Hecke des Klostergartens an der Pforte vorbei …«
    Ein paar Sekunden lang überlegte ich, wie es weitergehen sollte, wenn ich erst einmal in dem Klostergarten war, doch dann schob ich alle Zweifel beiseite. Ein Schritt nach dem anderen, befahl ich mir selbst. Was hatte ich schließlich zu verlieren? Mein Leben stand so oder so auf dem Spiel.
    Mit diesem äußerst ermutigenden Gedanken kehrte ich um und begann, an der hohen, abweisenden Klostermauer entlangzulaufen. Tatsächlich gingen die massiven Steine irgendwann in eine hohe Hecke über. Sie bestand aus diesem Gewächs, das ich schon immer scheußlich gefunden hatte und das auf Friedhöfen häufig als Grabbegrenzung diente. Da fiel mir auch der Name wieder ein: Thuja! Daraus wurden im Advent auch gern Kränze gebunden. Wie ich allerdings durch diese harten, dichten Äste mit ihren grünen, fächerförmigen Auswüchsen kommen sollte, die sich wie abwehrende Hände nach vorne streckten, war mir ein Rätsel. Ich konnte nur hoffen, dass dieses Loch in der Hecke wirklich existierte.
    Mit starrem Blick durchkämmte ich das undurchdringliche Grün und war schon beinahe ganz um das Kloster herumgelaufen, als ich auf Kniehöhe etwas entdeckte, das wie ein ausgeschnittener Kreis aussah. Tatsächlich: Ein schmaler, dunkelgrüner Tunnel führte ins Innere der Hecke. Ich ging auf die Knie und kniff die Augen zusammen. Auf allen vieren krabbelte ich schnell hindurch, wie ein Terrier auf Kaninchenjagd. Ich hatte keine Lust, irgendwelche Heckenbewohner mit acht Beinen und Fühlern auf die Idee zu bringen, es sich in meinem Kragen oder, schlimmer, in meinen Haaren bequem zu machen.
    Auf einmal blendete mich helles Sonnenlicht, und als ich mich blinzelnd aufrichtete, stand ich in einem Garten mit ungefähr zwei Dutzend Obstbäumen, die in voller Blüte standen. So weit das Auge reichte, sah man Äste, die unter der Fülle weißer, duftender Apfel-, Kirsch-und Pflaumenblüten förmlich überschäumten. Ein süßherber Duft, anders als in Dorotheas Kräutergarten, aber trotzdem wunderbar aromatisch, lag in der Luft. Doch ich durfte nicht trödeln, ich musste irgendwie versuchen, Jakob zu finden. Ängstlich, damit mich nur ja kein Mönch entdeckte, huschte ich von Baum zu Baum Richtung Klostergebäude, wobei ich immer ein paar Sekunden mit angehaltenem Atem hinter den knorrigen Stämmen wartete, ob die Luft rein war. Wahrscheinlich sah ich aus wie der friesische Komiker Otto, der diesen seltsamen Hüpfgang zu seinem Markenzeichen gemacht hatte. Wie der Osterhase auf Ecstasy. Ich pausierte einen Moment hinter einem knorrigen Apfelbaum, dessen niedrige Äste mit silbergrauen Flechten überzogen waren. Seine Blüten waren schneeweiß und dufteten nach einer Mischung aus Kompott und frischer Wäsche. Ich überlegte gerade, wie ich nun vorgehen sollte, als ich Stimmen hörte, die rasch näher kamen. Erschrocken erkannte ich, dass der Stamm nicht dick genug war, um mich völlig dahinter zu verbergen. Blitzschnell griff ich nach dem untersten Ast und zog mich daran nach oben. Die Rinde fühlte sich unter meinen Händen hart und trocken an, das Moos hinterließ dunkelgrüne Flecken auf meiner Hose und meinen Händen, aber es war mir egal. So leise wie möglich kletterte ich weiter, bis ich den Boden etwa zwei Meter unter mir gelassen hatte. Gut verborgen im weißen Apfelblütenmeer, balancierte ich auf einem dicken

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