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Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Purpurmond
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spürte sie, dass meine Angst um Dorothea echt war. Die ausdruckslose Starre verschwand aus ihren Zügen, als würde sie eine Maske abnehmen, und ihre Miene wurde so traurig, dass ich noch mehr erschrak.
    Leise sagte sie: »Fort ist’s gegangen, das Dorchen. Geflohen, mitten am Tag. Hat keine andere Wahl mehr gehabt, das arme Ding …«
    »Oh Shit«, platzte es aus mir heraus, ehe ich mich hastig korrigierte: »Ich meine, welch Misere! Wisst Ihr, wo sie jetzt ist?«
    Die alte Frau schüttelte den Kopf, und mir wurde übel vor Enttäuschung und Angst.
    »Wenn ich’s selber wüsst’, ich würd’ ruhiger schlafen, junger Herr. Aber ich kann sie nicht sehen … Nur beten kann ich für das Mädchen«, flüsterte sie, ehe sie sich endgültig zum Gehen wandte.
    Gelähmt vor Hilflosigkeit und unfähig, auch nur einen einzigen Finger zu rühren, blickte ich ihr nach. Dorothea war fort? War damit unser beider Schicksal besiegelt? Und was sollte das heißen, die alte Frau konnte sie nicht »sehen«?
    Ehe ich weiter darüber nachgrübeln konnte, spürte ich es wieder unter meinem Halstuch: den sanften, aber unmissverständlichen Druck des Halsreifs. Bei dem Gedanken, mit schrumpfendem Mond langsam, aber beständig meine Lebenskraft zu verlieren, wurden mir die Beine weich wie zwei Marshmallows. Mit einem Plumps setzte ich mich auf die sonnenwarme Erde. Mein Blick wanderte über den liebevoll angelegten Kräutergarten. Deswegen also waren die Pflanzen halb verdurstet gewesen, als ich kam. Dorothea war nicht mehr da, um sie zu gießen und zu ernten. Und niemand wusste, wo sie hingegangen war …
    Wirklich niemand? Ich sog scharf die Luft ein. Auf einmal war mein Kopf so klar, dass ich das Gefühl hatte, Pfefferminzöl zu inhalieren. Ich rappelte mich hoch und setzte mit einem Sprung über den Gartenzaun. Es gab jemanden, der wissen musste, wo Dorothea sich aufhielt! Und wenn ich ihn gefunden hatte, würde ich auch sie finden.
     
    Etwa zwei Stunden später hatte ich zu Fuß den steilen Michaelsberg erklommen, und mir war bewusst geworden, was für einen Luxus die Erfindung des Fahrrads, ganz zu schweigen die des Autos, bedeutete. Nun stand ich etwas kurzatmig vor der Pforte des Mönchsklosters Sankt Michael, das den Namen des Hügels trug, den ich soeben hinaufgekeucht war.
    Energisch schwang ich den eisernen Türklopfer und dachte flüchtig an die alte Frau im Zinkenwörth, bei der ich vor kurzem ebenfalls so ein Ding betätigt hatte. Nur, dass zwischen den beiden Ereignissen nicht ein paar Tage, sondern ein paar Jahrhunderte lagen. Das gäbe bestimmt einen hübschen Deutschaufsatz: »Meine aufregendste Ferienreise«, dachte ich und hätte fast hysterisch gekichert. Doch in diesem Moment öffnete sich eine kleine Luke in dem massiven Eichentor, das den Eingang zum Kloster freigab. Ein Männerkopf, so faltig wie der einer Schildkröte und kahl wie ein poliertes Straußenei, erschien in der Öffnung. Unwillkürlich musste ich daran denken, dass der Pförtner mit seiner Vollglatze praktischerweise um die etwas seltsam aussehende Tonsur herumgekommen war, diesen kleinen, rasierten Kreis am Hinterkopf, den manche Mönche trugen.
    Seine scharfe Stimme unterbrach meine Gedanken: »Was ist sein Begehr?«
    Oh Mann, dachte ich, müssen die alle immer so geschwollen daherreden? Ich zwang mich, möglichst demütig dreinzuschauen.
    »Ich bitte um eine Audienz mit Jakob Flock. Ich komme in einer Angelegenheit, die keinen Aufschub duldet.«
    Diesen Satz hatte ich mir während meines langen Fußmarschs sorgfältig zurechtgelegt und hoffte, ihn mit der nötigen Autorität vorgebracht zu haben.
    »Unsere Brüder sind nicht befugt, Besuch zu erhalten! Geschweige denn, mit selbigem zu sprechen«, keifte die kahle Schildkröte.
    So viel zu meiner Autorität. Trotzdem gab ich nicht auf. Gerne hätte ich Tacheles geredet, so in der Art: »Hör mal, Meister, ich bin nicht 300 Jahre weit gereist, um mich hier blöd anmachen zu lassen. Also schick mir den Bruder raus, und zwar zackig!« Doch stattdessen holte ich tief Luft und sagte möglichst ruhig: »Ich sagte doch bereits, diese Angelegenheit ist äußerst prekär! Sie hat sozusagen höchste Priorität!«
    Vielleicht ließ Bruder Schildkröte sich durch ein paar Fremdwörter beeindrucken.
    Aber leider Fehlanzeige.
    Stattdessen fertigte er mich mit den Worten ab: »Ihr seid Bruder Jakobus nicht familiär verbunden. Daher gibt es keinerlei Veranlassung, seine Kontemplation zu stören.«
    Noch ehe mir

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