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Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Purpurmond
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ein mehrfach gefaltetes Pergament hervor, das mit einem Faden verschlossen worden war. In der Mitte prangte ein dickes Siegel aus rotem Wachs. Ich zuckte zusammen. Der Mann hatte gesagt, er käme aus Wien. Dann war dieses Schreiben unter Garantie das kaiserliche Mandat, das die sofortige Beendigung der Hexenprozesse forderte! Ich fluchte innerlich, weil ich mit meinen zwei Bewachern an der Seite keine Chance hatte. Weder konnte ich Förg das Schriftstück entwenden noch Daniel und Jakob informieren, dass es angekommen war.
    Hilflos musste ich zusehen, wie der Bote Förg das gefaltete Papier überreichte. Nachdem ihm der Richter ein paar klingende Münzen in die Hand gedrückt hatte, wendete der Reiter sein Pferd und trabte davon. Obwohl die Nacht fast undurchdringlich schwarz war, sah ich Förgs spitze Raubtierzähne in einem triumphierenden Lächeln aufblitzen, als er das Schreiben in seinem Umhang verschwinden ließ. Harsch blaffte er die beiden Stadtwächter an: »Eilt euch, die Teufelsbrut ins Drudenhaus zu bringen! Mich rufen die Geschäfte!« Damit wandte er sich um und ging – allerdings nicht zu seinem Haus, sondern er schlug den Weg zum Domberg ein.
    Während ich mir noch den Hals verrenkte, um zu sehen, wohin er lief, wurde ich von den Männern brutal weitergezerrt. Wenn sie jetzt schon so mit mir umgingen, wollte ich gar nicht wissen, wie man die Gefangenen des Malefizhauses behandelte. Als ich mich an die Beschreibungen der Foltermethoden aus Professor Körners Archiv erinnerte, wurde mir schlecht vor Angst. Krampfhaft versuchte ich, alle Gedanken daran aus meinem Hirn zu verbannen, doch vergeblich. Als hätte ein sadistischer Kinobesitzer mich erst auf dem Sitz festgebunden und dann einen Horrorfilm gestartet, liefen Bilder an meinem inneren Auge vorbei: Geschundene Körper, an den Armen aufgehängt und mit einem Flaschenzug bis unter die Decke der Folterkammer gezogen, so dass die Schultergelenke unter unerträglichen Schmerzen ausgekugelt wurden. Zerschmetterte Füße und Finger von den Bein-und Daumenschrauben, die immer enger gezogen wurden, bis Fleisch und Knochen zu einem blutigen Brei verschmolzen. Glühende Zangen, die sich in die Haut brannten. Vielleicht würde ich bald wieder den Geruch von verbranntem Fleisch riechen, diesmal jedoch mein eigenes … Bei dieser Vorstellung zog sich mein Magen so heftig zusammen, als würde ihn eine eiserne Faust zusammenquetschen. Ich würgte, und etwas Saures schoss mir die Kehle hoch. Da ich seit zwei Tagen nichts gegessen hatte, kam nur bittere Galle. Doch die entlud sich direkt auf die Stulpenstiefel des Wächters. Mit einem angewiderten Aufschrei ließ der Mann mich los, und auch sein Kumpan lockerte den Griff und trat zwei Schritte zurück, ehe sein Schuhwerk das gleiche Schicksal erlitt. Mein Magen war schnell leer, doch um nicht erneut in den Klammergriff der Wächter zu geraten, produzierte ich weiterhin Würgegeräusche und schielte aus den Augenwinkeln zu meinen zwei Bewachern hinüber. Während der dickere von beiden seine Stiefel fluchend mit einem schmutzigen Tuch bearbeitete, das er aus seiner Hosentasche gezogen hatte, drückte den Zweiten offenbar die Blase, denn er knöpfte seine Kniehose völlig ungeniert auf und streifte sie sich bis auf die Knöchel herunter. Calvin-Klein-Shorts mit Eingriff waren damals noch nicht erfunden worden.
    Dies war meine Chance. In Berlin hatte ich mal einen Selbstverteidigungskurs gemacht, von dem leider nicht allzu viel hängengeblieben war. Förgs Schergen mit einem eleganten Judogriff über die Schulter zu werfen oder sie im Stil von »Kill Bill« durch einen eleganten Sprung mit zwei synchronen Fußtritten auszuknocken, konnte ich wohl vergessen. Das Einzige, woran ich mich erinnerte, war unsere resolut-blonde Kursleiterin, die sich vor mich hingestellt und mit der Handkante eine senkrechte Linie vor meinem Körper in die Luft gezeichnet hatte.
    »Auf dieser Achse liegen die empfindlichen Punkte: Augen, Nase, Kehle, Genitalien. Die müsst ihr treffen, Girls, dann hat der Gegner erst mal andere Probleme, als euch dumm anzumachen«, hatte sie damals gesagt.
    Nun war ich alles andere als ein Shaolinkämpfer, der einfach mal drauflosprügelte. Aber hier ging es ja auch nicht darum, just for fun eine kleine Keilerei anzuzetteln. Schließlich würden mich die Wächter, ohne mit der Wimper zu zucken, den schlimmsten Foltern und einem ungerechtfertigten Hexenprozess aussetzen. Ich konnte die folgende Aktion also

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