Heile Welt
schon damals nicht richtig funktioniert. Er wollte hier jetzt das kaufen, was ein Mensch zum Leben nötig hat, ein Brotbrett, Tassen und Teller, Messer, Gabel, Löffel. Dann ein Stück Butter, Zucker, Salz und Marmelade. Er suchte sich sogar einen elektrischen Kochapparat aus, plus Teekessel fürs Kaffeekochen, denn ob er den Feuerherd in Gang kriegen würde, war noch sehr die Frage. Er kam sich so ein bißchen wie Robinson vor, der sich aussucht, was er auf der Insel unbedingt braucht.
Für Kaufmann Klapproth war es angenehm mit anzusehen, was Matthias alles auswählte. Er leckte sich die Lippen, in Erwartungsfreude oder wegen des Jägermeisters, den er eben getrunken hatte. Für ihn war das wie ein Test, ob er auch alles hat, was der junge Lehrer für seinen Hausstand brauchte. Und, ja, er hatte alles, und er legte es nebeneinander auf den Tisch. Zwischendurch hielt er Matthias eine Mausefalle hin und ein Päckchen Rasierklingen, und er hob auch mal die Käseglocke, um ihn darauf aufmerksam zu machen, was das für ein guter Käse ist, den er hier zu verkaufen hat.
Eier und Milch führte Herr Klapproth in seinem Kaufhaus nicht, und das aus gutem Grund.
«Holen Sie sich das doch bei Bauer Freede oder bei Fitschen nebenan…», sagte er, und in der Tat, warum eigentlich nicht.
«Wär’s das?»fragte Klapproth, und dann ging er in die Knie hinter dem Ladentisch und stützte sich auf, lag so halb auf der Theke und rechnete alles zusammen. Er konnte nicht gut rechnen, es gingen darüber wunderliche Geschichten um im Dorf. Aber er verrechnete sich nie. Er begann also zu rechnen, tippte mit dem kurzen Kopierstift die Zahlenkolonnen ab, die er auf einem schmalen, mit einer Reklame blau bedruckten Block notiert hatte, ganz so, wie er es als Kind in Ostpreußen gelernt hatte, mal von oben nach unten und mal von unten nach oben.
Während Matthias die Sachen in einen Karton tat, überlegte er, ob er den Kaufmann fragen sollte, wer die junge Frau gewesen sei, die in dem FIAT davongefahren war. Aber so vertraut war er hier noch nicht, das konnte er noch nicht riskieren.
Im obersten Regal, das sah Matthias dann noch, stand neben blau eingewickelten Zuckerhüten ein Pappkarton mit einem altmodischen Blechspielzeug, irgendwann einmal unvorsichtigerweise eingekauft, nun nicht mehr abzusetzen: eine Rennstrecke aus Blech mit Bergen, Tunneln und aufgemalten Bäumen. Die ganze Sache konnte man aufziehen, und dann spielte sie mit sich selber. (Im Seminar war vor so was eindringlich gewarnt worden!) Das Dings nahm Matthias mit, vier Mark und fünfzig betrug der dreimal herabgesetzte Preis, und auch ein kleines goldenes Netz mit Marmeln für die Kinder kaufte er, als Belohnung oder für einen Marmelspielwettbewerb.
Im Hinausgehen, aus purer guter Laune, setzte sich Matthias einen Strohhut auf den Kopf, worüber Herr Klapproth sich freute, er hielt ihm einen Spiegel hin, und hinten im Laden drehten sich die Frauen um nach dem jungen Mann mit der Haartolle. – Das war eine gute Vorbedeutung, daß dieser junge Mann so lustig ist, der wird als Lehrer gut mit Jugend können… Obwohl – ein bißchen Strenge kann auch nicht schaden.
Matthias klemmte den Karton auf den Gepäckträger und fuhr über die Platanenallee nach Hause. Hierbei begegnete er der Kriegerwitwe, die ihre Waren in einem Lieferwagen durchs Dorf fuhr und an jeder Straßenecke hupte, sie brachte ihren Kunden alles ins Haus, Mondamin, Kaffee und Kuchenstücke auf einem Blech.
Andere Kriegerwitwen und Flüchtlingsfrauen waren es vorwiegend, die bei ihr einkauften: Das war ihre Kundschaft. Matthias ärgerte sich über die Hupe.
«Bei dieser Frau werde ich nie etwas kaufen», dachte er, konnte die sich nicht eine Glocke anschaffen? Hupt das ganze Dorf zusammen?
Matthias machte einen kleinen Umweg und fuhr am Schützenhof vorbei, er wollte sehen, ob die Kegelkugeln noch da waren. Ja, sie waren noch da. Wie Kanonenkugeln waren sie gestapelt, neben dem Hauklotz, auf dem eine Axt lag. Es waren mindestens zehn Stück. Sich selbst ins Schienbein schlagen, ein klaffender Schmiß, weil die Kugeln zurückfedern…
In einem Koben liefen acht Schweine herum, mit einem roten Strich auf dem Rücken, die sollten hier verladen werden. Zwei Männer in Kitteln hieben mit Handstöcken auf sie ein, obwohl sie doch gar nichts getan hatten, außer daß sie unter der Mütze ihrer Ohren in die Gegend guckten.
Es war inzwischen halb eins geworden: warum nicht gleich zu Mittag
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