Heilige Mörderin: Roman (German Edition)
Utsumi zückte ihren Notizblock.
Resigniert nannte Hiromi die Namen. Es waren große, teure Hotels in der Innenstadt. Falls sie nicht sehr häufig dortgewesen waren, war die Wahrscheinlichkeit gering, dass jemand vom Personal sich an sie erinnerte.
»Haben Sie sich immer an bestimmten Tagen getroffen?«
»Nein, wir haben uns per Mail verabredet.«
»Wie oft ungefähr?«
Hiromi Wakayama zuckte die Achseln. »Ungefähr einmal in der Woche.«
Utsumi, die ihre Notizen beendet hatte, sah Kusanagi an und nickte.
»Vielen Dank. Ich glaube, das genügt für heute«, sagte er.
»Mehr kann ich Ihnen ohnehin nicht sagen«, sagte Hiromi schroff. Kusanagi schwieg, lächelte und beglich die Rechnung.
Auf dem Weg zum Parkplatz blieb Hiromi plötzlich stehen.
»Äh …«
»Was ist denn?«
»Kann ich jetzt heim?«
Kusanagi musterte sie perplex. »Fahren Sie denn nicht mit zu Frau Mashiba? Sie hatte Sie doch darum gebeten.«
»Ich bin todmüde und fühle mich nicht gut. Könnten Sie ihr das bitte ausrichten, Herr Kommissar?«
»Kein Problem.«
Immerhin war die Befragung abgeschlossen.
»Sollen wir Sie nach Hause bringen?«, fragte Utsumi.
»Nein, danke. Ich nehme ein Taxi. Auf Wiedersehen.«
Hiromi Wakayama machte kehrt und ging davon. Wie gerufen kam ein Taxi vorbei, sie winkte es heran und stieg ein. Kusanagi blickte dem sich entfernenden Wagen nach.
»Meinen Sie, sie fürchtet, wir würden Frau Mashiba von ihrem Verhältnis erzählen?«
»Keine Ahnung, aber nach allem, was sie uns erzählt hat,will sie wahrscheinlich nicht, dass wir sie dabei beobachten, wie sie mit der Ehefrau spricht, als könne sie kein Wässerchen trüben.«
»Ja, könnte sein.«
»Aber wie sieht es mit ihr aus?«
»Mit ihr?«
»Ich meine Frau Mashiba. Ob sie wirklich nichts von der Affäre gewusst hat?«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Durch ihr Verhalten vorhin. Wie sie Hiromi Wakayama um den Hals gefallen und in Tränen ausgebrochen ist.«
»Wirklich?« Utsumi senkte den Blick.
»Was ist? Wenn Sie etwas sagen wollen, sagen Sie es.«
Sie schaute auf und sah Kusanagi an. »Bei dieser Szene kam mir der Gedanke, ob sie vielleicht wollte, dass wir sehen, wie sie weint. Und zwar vor der Person, vor der sie am allerwenigsten weinen würde.«
»Und wieso?«
»Ach nichts, entschuldigen Sie, ich rede Unsinn. Ich hole den Wagen.«
Sprachlos starrte Kusanagi ihr nach.
Kapitel 6
Im Haus der Mashibas hatten Mamiya und die Kollegen auch Ayanes Befragung beendet. Kusanagi sagte ihr, dass Hiromi sich nicht wohl gefühlt habe.
»Ich verstehe. Natürlich war das auch für sie ein Schock.« Ayane umschloss mit beiden Händen ihre Teeschale. Ihr Blick schweifte in die Ferne. Sie wirkte noch immer sehr niedergeschlagen. Aber die kerzengerade Haltung, in der sie auf dem Sofa saß, vermittelte einen Eindruck großer innerer Stärke.
Ihr Handy klingelte. Sie nahm es aus der Tasche neben ihr. Dabei sah sie um Erlaubnis bittend zu Mamiya hinüber.
Er nickte ihr zu.
Nach einem Blick auf das Display hob sie ab. »Ja … ja, in Ordnung. Die Polizei ist gerade hier … Ich weiß noch nicht. Nur, dass er im Wohnzimmer gelegen hat … Ich melde mich, wenn ich mehr weiß. Sag auch Vater, er soll sich keine Sorgen machen … Ja. Dann bis später.« Ayane legte auf und sah Mamiya an. »Das war meine Mutter«, sagte sie.
»Haben Sie Ihrer Mutter erzählt, was geschehen ist?«
»Nur, dass Yoshitaka plötzlich gestorben ist. Sie hat gefragt, woran, aber ich wusste nicht, was ich antworten sollte.«
»Haben Sie in der Firma Ihres Mannes Bescheid gesagt?«
»Ich habe die Rechtsabteilung angerufen, bevor ich heute Morgen aus Sapporo abgereist bin. Ich habe mit Herrn Ikai gesprochen. Der Freund, den ich vorhin erwähnt habe.«
»Er war auf Ihrer Party, nicht wahr?«
»Ja. Wenn der Geschäftsführer so plötzlich verstirbt, gehtnatürlich alles drunter und drüber, aber ich kann ja nichts tun …«
Ayane bemühte sich, beherzt zu wirken, aber sie sah aus, als würde sie gleich zusammenbrechen. Kusanagi verspürte den Impuls, ihr zu helfen.
»Wäre es nicht besser, Sie würden eine Verwandte oder eine Freundin herbitten, bis Frau Wakayama sich wieder besser fühlt? Auch alltägliche Dinge können sehr anstrengend sein.«
»Nein, es geht schon. Außerdem ist es sicher besser, wenn heute niemand mehr das Haus betritt?«, sagte Ayane mit einem fragenden Blick zu Mamiya.
»Heute Nachmittag kommt noch mal die Spurensicherung«,
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