Heilige Mörderin: Roman (German Edition)
gaben. Ayane hatte keine Geldsorgen und konnte sich ganz ihrem geliebten Patchwork widmen. So töricht, ein solches Leben einfach wegzuwerfen, ist sie bestimmt nicht. Vielleicht fand sie es günstiger, einfach zu warten, bis die Affäre zwischen ihrem Mann und ihrer Schülerin ihr natürliches Ende finden würde?« Nach dieser für sie ungewöhnlich langen Rede hatte Utsumi offenbar das Gefühl, etwas zu bestimmt gesprochen zu haben. »Oder finden Sie das zu weit hergeholt?«, fügte sie rasch hinzu.
Kusanagi trank von seinem Kakao und verzog das Gesicht. Er war viel süßer, als er es erwartet hatte. Hastig spülte er mit einem Schluck Wasser nach.
»Ein so berechnender Typ scheint sie mir gar nicht zu sein.«
»Nicht berechnend. Aber sie besitzt den Instinkt einer klugen Frau.«
Kusanagi wischte sich mit der Hand den Mund und sah seine Assistentin an. »Verfügen Sie auch über diesen Instinkt, Frau Utsumi?«
Sie grinste und schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaubenicht. Wenn mein Mann mich betrügen würde, könnte er was erleben.«
»Jedenfalls verstehe ich so etwas nicht. Wie kann eine Frau, obwohl sie weiß, dass sie betrogen wird, ihre Ehe einfach fortführen, als wäre nichts?«
Kusanagi sah auf die Uhr. Seit seinem Telefonat mit Yukiko Ikai waren etwa dreißig Minuten vergangen.
Die Villa der Ikais war ebenso nobel wie die von den Mashibas. Direkt neben dem mit Backsteinen verkleideten Tor gab es einen Parkplatz für Gäste, und Utsumi musste sich nicht eigens auf die Suche machen.
In der Villa erwartete sie nicht nur Yukiko Ikai, auch ihr Mann Tatsuhiko war anwesend. Er war sofort nach Hause gekommen, als seine Frau ihm am Telefon gesagt hatte, die Polizei käme.
»Wie geht es in der Firma?«, fragte Kusanagi.
»Das Personal hält sich hervorragend, da brauche ich mir keine Sorgen zu machen. Aber wie ich die ganze Sache unseren Klienten erklären soll, weiß ich nicht. Ich hoffe, Sie werden den Fall so schnell wie möglich aufklären.« Ikai musterte die beiden Kriminalbeamten mit einem skeptischen Blick. »Was ist überhaupt passiert?«
»Yoshitaka Mashiba ist in seinem Haus verstorben.«
»Das weiß ich bereits. Aber da die Mordkommission den Fall bearbeitet, kann es sich ja wohl kaum um einen Unfall oder einen Selbstmord handeln, oder?«
Kusanagi stieß einen kleinen Seufzer aus. Der Mann war Anwalt. Er würde sich nicht mit Andeutungen abspeisen lassen. Außerdem kannte er alle Kniffe, mit denen er sich stets ein Hintertürchen offenhalten konnte.
Kusanagi wies die Ikais zunächst auf den vertraulichenCharakter des Gesprächs hin und bat sie, nichts davon an Dritte weiterzugeben. Erst jetzt teilte er ihnen mit, dass Yoshitaka Mashiba an mit Arsensäure vergiftetem Kaffee gestorben war.
Yukiko, die neben ihrem Mann auf dem Ledersofa saß, legte beide Hände an ihre rundlichen Wangen. Ihre weitgeöffneten Augen waren gerötet.
Tatsuhiko strich sich das offenkundig dauergewellte Haar nach hinten. »Ach, deshalb wurde die Leiche gleich in die Rechtsmedizin überführt. Ich hatte mich schon gewundert, warum Sie das tun, wenn er nur an einer Krankheit gestorben ist. Aber einen Selbstmord konnte ich mir auch nicht vorstellen.«
»Aber einen Mord können Sie sich vorstellen?«
»Natürlich kann man nie wissen, was manche so antreibt, aber ihn gleich zu vergiften?« Tatsuhiko schüttelte stirnrunzelnd den Kopf.
»Hatte Herr Mashiba Feinde?«
»Wenn Sie mich fragen, ob er berufliche Differenzen mit dem einen oder anderen hatte, kann ich das nicht verneinen. Aber persönlich hatte niemand etwas gegen ihn. Wenn es Schwierigkeiten gab, stand ja ich an vorderster Front.« Tatsuhiko tippte sich gegen die Brust.
»Und wie sah es privat aus? Hatte Herr Mashiba auch da keine Feinde?«
Tatsuhiko lehnte sich auf dem Sofa zurück und schlug die Beine übereinander. »Das weiß ich nicht. Mashiba und ich waren Geschäftspartner, aber keiner mischte sich in die Privatangelegenheiten des anderen ein. Das war nicht unser Stil.«
»Immerhin standen Sie sich so nah, dass er Sie zu sich nach Hause einlud, nicht wahr?«
Tatsuhiko zuckte die Schultern. »Ich glaube, das tat er gerade weil ich mich nicht einmischte. Beschäftigte Männer wie Mashiba und ich brauchen auch mal eine Abwechslung.«
Wahrscheinlich wollte er damit sagen, dass er normalerweise keine Zeit hatte, sich mit Freunden zu treffen.
»Ist Ihnen auf der Party etwas Ungewöhnliches aufgefallen?«
»Wenn Sie mich fragen, ob man etwas hätte
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