Heilige Mörderin: Roman (German Edition)
wäre. Und wenn doch, hätte er dann nicht auch Frau Wakayama davon erzählt? Immerhin haben sie darüber gesprochen, wie man besonders wohlschmeckenden Kaffee zubereitet. Außerdem müssten, wenn Herr Mashiba das Gift selbst hinzugefügt hätte, noch Spuren davon zu finden sein. Arsensäure. Es müsste eine Tüte oder so etwas geben. Aber am Tatort wurde nichts dergleichen gefunden. Wie erklären Sie sich das?«
Utsumi nickte, während Kusanagi ihre Hypothese zerpflückte.
»Leider habe ich auf keine dieser Fragen eine Antwort. Sie haben bestimmt recht, Kommissar Kusanagi. Aber ich überlege mir eben die ganze Zeit, ob es nicht doch noch einen Weg hätte geben können.«
Kusanagi sah zur Seite und seufzte. »Soll ich jetzt Ihrer weiblichen Intuition vertrauen?«
»Das habe ich nicht gesagt. Aber Frauen haben eine weibliche Art zu denken.«
»Halt, halt«, rief Mamiya erschöpft. »Ich schätze Diskussionen, aber ein gewisses Niveau sollte doch gewahrt bleiben. Halten Sie die Ehefrau für verdächtig, Kollegin Utsumi?«
»Ich bin nicht ganz sicher.«
»Aus welchem Grund?«, fragte Mamiya.
Utsumi holte einmal tief Luft. »Wegen der Champagnergläser.«
»Wieso das denn? Was haben die damit zu tun?«
»Als wir das erste Mal den Tatort betraten, standen in derKüche fünf gewaschene Champagnergläser.« Sie wandte sich Kusanagi zu. »Erinnern Sie sich?«
»Natürlich. Sie waren noch von der Party am Freitagabend.«
»Na und?«, fragte Mamiya. »Bin ich blöd? Wo ist das Problem? Klären Sie mich auf.«
Kusanagi pflichtete ihm bei. Er musterte Utsumis Profil. Es zeugte von Willensstärke.
»Warum hat Frau Mashiba sie nicht weggeräumt?«
»Was?« Kusanagi schnaubte.
»Hä?«, machte Mamiya mit etwas Verspätung.
»Was spielt das für eine Rolle? Dann hat sie sie eben nicht weggeräumt«, sagte Kusanagi.
»Aber normalerweise würde sie sie wegräumen. Sie haben doch den Schrank gesehen. Er war so aufgeräumt, dass die Stelle, an der die Gläser fehlten, sofort ins Auge fiel. Ich halte Frau Mashiba für eine Person, die keine Ruhe hat, solange ihr bestes Geschirr nicht dort steht, wo es stehen sollte. Ich verstehe nicht, warum sie die Gläser dennoch nicht zurückgestellt hat.«
»Vielleicht hat sie es zufällig vergessen?«, wandte Kusanagi ein.
Utsumi schüttelte entschieden den Kopf. »Das ist unmöglich.«
»Warum?«
»An einem gewöhnlichen Tag hätte ihr das vielleicht passieren können. Aber sie plante, ihr Haus für eine Weile zu verlassen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sie die Champagnergläser unter diesen Umständen in der Spüle stehen ließ.«
Kusanagi wechselte einen Blick mit Mamiya, der reichlichverdutzt aussah. Der Kommissar überlegte, ob auch er so ein Gesicht machte. Die von Utsumi aufgeworfene Frage war ihm nicht einmal in den Sinn gekommen.
»Ich kann mir nur einen Grund vorstellen, aus dem die Ehefrau die Gläser nicht weggeräumt hat«, fuhr die junge Polizistin fort. »Sie wusste, dass sie nicht lange fort sein würde. Also hatte sie es nicht eilig, die Gläser in den Schrank zu stellen.«
Mamiya lehnte sich mit verschränkten Armen im Stuhl zurück. Sein Blick war auf Kusanagi gerichtet.
»Dürfte ich nun die Ansicht des geschätzten Kollegen hören?«
Der Kommissar kratzte sich an der Stirn. Da ihm nichts einfiel, rettete er sich in Fragen. »Warum haben Sie das nicht früher gesagt? Ist Ihnen der Gedanke nicht gekommen, als wir an den Tatort kamen?«
Utsumi zuckte die Achseln und lächelte ausnahmsweise verlegen.
»Ich hatte das Gefühl, mich zu sehr auf Details zu fixieren. Wenn es die Ehefrau war, wird das schon auf die eine oder andere Art ans Licht kommen, dachte ich. Tut mir leid.«
Mamiya seufzte und sah wieder Kusanagi an. »Wir müssen unser Verhalten überdenken. Was nützt es, weibliche Polizeikräfte zu haben, wenn wir eine Atmosphäre schaffen, in der es ihnen schwerfällt, sich zu äußern.«
»Nein, das wollte ich damit ja gar nicht sagen …«
Mamiya hob die Hand, um Utsumi zu bremsen.
»Wenn Sie etwas zu sagen haben, dann ohne Hemmungen raus damit. Geschlecht oder Rang spielen bei uns keine Rolle. Ihre Beobachtungen sind ausgezeichnet, aber bilden Sie sich nicht zu viel darauf ein. Auch wenn es wirklich ungewöhnlichist, dass Frau Mashiba die Champagnergläser nicht in den Schrank geräumt hat, ist das noch längst kein Beweis. Was wir brauchen, ist etwas, das wir beweisen können. Jetzt müsst ihr erst mal herausfinden, ob unsere
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