Heilige Mörderin: Roman (German Edition)
Steinlöwen.
»Sie mochte Figuren wie den Schneemann und den Steinlöwen, die bereits existierten. In einem ihrer Werke verwendete sie auch einen Teruteru-Bozu.«
»Das kenne ich«, sagte Kusanagi. Das Bilderbuch, das er von Frau Yamamoto in Mashibas Firma bekommen hatte.
Sasaoka nickte. »Frau Tsukui konnte auch altbekannten Figuren neuen Glanz verleihen. Wir bedauern sehr, dass sie nicht mehr bei uns ist.«
»Erinnern Sie sich noch, wie es war, als sie starb?«
»Natürlich erinnere ich mich. Sie hat mir sogar einen Abschiedsbrief hinterlassen.«
Junko Tsukui stammte aus Hiroshima. Kusanagi hatte mit ihrer Mutter telefoniert. Sie sagte, Junko sei in ihrer Wohnung in Tokio an einer Überdosis Schlaftabletten gestorben und habe drei Briefe hinterlassen. Alle waren an Personen gerichtet, die etwas mit ihrer Arbeit zu tun hatten. Einer davon war wohl für Sasaoka gewesen.
»Sie entschuldigte sich dafür, so plötzlich ihre Arbeit aufzugeben. Wahrscheinlich, weil ich sie gerade um ein neues Buch gebeten hatte.« Sasaoka machte ein trauriges Gesicht.
»Über ihr Motiv hat sie nichts geschrieben?«
»Nein, sie hat sich nur entschuldigt.«
Junko Tsukui hatte kurz vor ihrem Selbstmord auch an ihre Mutter geschrieben. In Panik hatte diese daraufhin immer wieder versucht, ihre Tochter anzurufen. Als sie sie nicht erreichte, benachrichtigte sie die Polizei, die die Wohnung aufbrach und die Leiche fand.
Sie wisse noch immer nicht, warum ihre Tochter so etwas getan habe, hatte die Mutter am Telefon weinend gesagt. Ihre Trauer schien auch nach zwei Jahren ungebrochen.
»Herr Sasaoka, haben Sie vielleicht eine Ahnung, warum Frau Tsukui sich das Leben genommen haben könnte?«
Sasaoka schüttelte traurig den Kopf. »Die Polizei hat mir damals die gleiche Frage gestellt, aber ich habe nicht die geringsteAhnung. Ich hatte mich etwa zwei Wochen vor Junkos Tod mit ihr getroffen, aber sie machte keinen deprimierten Eindruck. Vielleicht bin ich auch nur unsensibel.«
Kusanagi glaubte nicht, dass es an Sasaoka gelegen hatte. Er hatte sich schon mit den anderen beiden Empfängern der Abschiedsbriefe getroffen, und auch sie hatten nichts geahnt.
»Wussten Sie, dass Frau Tsukui einen Freund hatte?«, fragte Kusanagi weiter.
»Ich hatte davon gehört. Aber wer es war, weiß ich nicht.«
»Gab es jemanden, dem sie besonders nahestand? Eine Bekannte oder eine Freundin?«
Sasaoka verschränkte seine dicken kurzen Arme und schüttelte den Kopf.
»Diese Frage hat man mir auch damals gestellt, aber ich wüsste niemanden. Junko gehörte zu den Menschen, die gern allein sind. Sie war der Typ, der glücklich ist, wenn er nur für sich in seinem Zimmer zeichnen kann. Ich glaube nicht, dass sie gern unter Leute ging. Deshalb war ich ziemlich überrascht, als ich von diesem Freund hörte.«
Der gleiche Typ wie Ayane Mashiba, dachte Kusanagi. Sie hatte zwar ihre Assistentin Hiromi Wakayama und diese Freundin aus der Schulzeit, mit der sie in Sapporo im Onsen gewesen war, aber im Grunde lebte sie ganz für sich. Sie saß in ihrem großen Wohnzimmer und widmete sich ganz ihren Patchwork-Arbeiten.
Offenbar wählte Yoshitaka Mashiba einsame Frauen, weil er sie als Gebärmaschinen für geeigneter hielt. Zwischenmenschliche Beziehungen hätten sie in dieser Funktion nur behindert.
»Warum untersuchen Sie Junkos Selbstmord eigentlicherst jetzt?«, fragte Sasaoka. »Das Motiv war zwar unklar, aber damals schien eine Untersuchung unnötig, weil die Sache so eindeutig war.«
»Auch jetzt geht es nicht um Junko Tsukuis Selbstmord. Ihr Name ist in Zusammenhang mit einem anderen Fall aufgetaucht, deshalb überprüfen wir alles noch mal.«
»Aha, ich verstehe.« Anscheinend hätte Herr Sasaoka gern gewusst, um was für einen Fall es sich handelte, und Kusanagi beschloss, das Gespräch zu beenden.
»Ich bedanke mich und entschuldige mich nochmals für die Störung.«
»War’s das schon? Ach, und ich habe ganz vergessen, Ihnen Tee anzubieten.«
»Das macht wirklich nichts. Dürfte ich mir die vielleicht ausleihen?« Er griff nach einem der Bilderbücher.
»Aber bitte, Sie können sie behalten.«
»Wirklich?«
»Ja, irgendwann werden sie doch nur eingestampft.«
»Wenn das so ist, vielen Dank.«
Kusanagi stand auf und ging zur Tür. Sasaoka folgte ihm.
»Frau Tsukuis Selbstmord hat mich damals sehr überrascht. Als ich hörte, sie sei tot, hätte ich nie gedacht, dass sie Selbstmord begangen haben könnte. Wir haben damals hier im
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