Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
der Haushälterin, die einen kleinen Kieselstein dort übersehen hatte, wo er ihn gestern fallen gelassen hatte, als er eine vermeintliche Gottesanbeterin, die sich dann als deformierte Heuschrecke entpuppte, aus seiner Tasche geleert hatte. Das einzige Problem war nur, daß der obere Teil seines Körpers nicht verraten durfte, was seine Beine taten – den Kieselstein in die richtige Richtung zu bekommen, ohne die Augen von dem Mann mit der Waffe abzuwenden. Natürlich war die Aussicht auf Gelingen so klein, daß es schon fast lächerlich war, aber er hatte keine andere Chance, und zumindest besaß er den Vorteil, daß James höchst nervös war. Sein Blick huschte hinüber zu dem hohen Wandschrank, der in einen Türrahmen eingelassen war; er war praktisch gewesen, weil er kein Schlüsselloch besaß. Er hoffte bloß, daß die verdammten Biester sich nicht längst gegenseitig umgebracht hatten. Ein Jammer, daß er nicht nahe genug an James dran war, um im entscheidenden Moment eine Attacke zu riskieren, aber das war nun mal nicht zu ändern.
Laut sagte er:
»Was ich einfach nicht begreifen kann, ist, warum ein Mann wie Sie sich überhaupt auf so eine Sache einläßt.«
»Versuchen Sie nicht, Zeit zu schinden. Das wird Ihnen nichts nützen.« James’ Finger schloß sich um den Abzug.
»Geben Sie mir doch um Himmels willen noch eine Minute oder so.«
»Sie wollen also wissen, warum ich mich den Nazis angeschlossen habe, ja?« Plötzlich schoß es Fen durch den Kopf, daß ja auch für James jetzt jede Lebensminute kostbar war; dieser Gedanke ermutigte ihn.
»Dann werde ich’s Ihnen verraten, mein guter Professor Alleswisser. Ich hab’ mich denen angeschlossen, weil sie gut bezahlen, klar? Mir ist doch scheißegal, was wir für eine Regierung haben. Männer wie mich kümmert so was nicht. Aber eines kann ich Ihnen sagen: Wenn ich bei dieser Geschichte das Sagen gehabt hätte, dann wäre das Ganze völlig anders gelaufen …«
Jetzt, dachte Fen, jetzt: sinnlos, es noch weiter rauszuzögern. Die Augen starr auf James gerichtet, trat er gegen den Kieselstein. Ihm blieb fast das Herz stehen, bis er das leise Hüpfen und Kullern hörte, und der Stein gegen die Schranktür prallte. Innerlich schwor er den Göttern ewigen Dank; äußerlich zuckte er leicht zusammen und tat dann demonstrativ so, als sei nichts gewesen. Von nun an hing alles von seinen schauspielerischen Fähigkeiten ab.
James hatte das Geräusch gehört. Er trat rasch zurück, um Fen und den Schrank gleichzeitig in sein Gesichtsfeld zu bringen. Dann wandte er ruckartig den Kopf in die Richtung.
»Was ist hinter der Tür da?«
»Nichts«, sagte Fen hastig. »Das ist bloß ein Schrank. Wieso?« (Oh, wie anstrengend, seine Rolle nicht zu übertreiben!)
»Sie wissen doch ganz genau wieso. Dahinter ist jemand.« (Sein Trick hatte also geklappt!)
»Bloß meine Anzüge, sonst nichts, das versichere ich Ihnen.« Fen blickte immer wieder rasch und mit nur schlecht verhohlener Erwartungshaltung zum Schrank. James’ Nerven waren jetzt extrem angespannt, und zudem war er unfähig, die Augen von der Tür abzuwenden. Jetzt kam es darauf an, seine Gedanken von der realen Situation abzulenken. Ihm konnte es nämlich sogar egal sein, wenn sich die Polizei von ganz Devon hinter dieser Tür verbarg: Schließlich hatte er sich dafür entschieden, seine eigene Flucht unmöglich zu machen, und er konnte seine Absicht, Fen zu töten, noch immer in die Tat umsetzen. Andererseits hatte er ganz offensichtlich kein Verlangen danach, auf der Stelle zu sterben, was nahezu unweigerlich der Fall wäre, wenn jemand hinter dieser Tür lauerte, und außerdem ist Neugier eine überaus starke Macht. Fen hoffte auf diese beiden Faktoren. Und deshalb war sein Entsetzen um so größer, als er James sagen hörte:
»Aber ist ja auch egal, oder? Für unsere kleine Meinungsverschiedenheit ist das ohne Belang.«
Es schien nicht zu funktionieren. Trotzdem waren Neugier und Furcht gewiß noch da und warteten nur darauf, wieder geweckt zu werden. Und James durchschaute die Herkunft des Geräuschs offenbar nicht, denn der Kiesel war klein und irgendwohin gerollt, wo er nicht zu sehen war. Mit leichter Befriedigung registrierte Fen, daß James ihm, falls er sich zur Schranktür bewegte, nahe genug käme, um einen raschen Angriff zu versuchen; die Schwierigkeit war nur, ihn dorthin zu bekommen.
»Ich würde mir gern«, sagte Fen, »etwas aus dem Schrank holen … es ist in einer Anzugtasche
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