Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
ein paar Minuten von hier entfernt.«
Erst kurz bevor sie am Ziel waren, bemerkte Geoffrey, daß er das Schmetterlingsnetz noch in der Hand hatte. Er fluchte innerlich und knurrte leise etwas vor sich hin.
»Fluchen Sie ruhig nach Herzenslust«, sagte die junge Frau. »Dann geht es Ihnen gleich besser.«
Das »Whale and Coffin« war, wie sich herausstellte, ein großes, niedriges, verschachteltes Gebäude unbestimmten Datums mitten in der Altstadt. Es hatte zahlreiche Bars mit verschiedenen Bezeichnungen: Bar, Saloon, Lounge Bar, Public Bar, Private Bar und so weiter; die unzulängliche Oberaufsicht über sämtliche Bars lag bei einem kleinen, kurzsichtigen älteren Mann, der ständig von einer Theke zur anderen eilte, weniger in der Hoffnung, sich nützlich zu machen, so hatte man den Eindruck, als vielmehr, weil es ihm zur lieben Gewohnheit geworden war und er nicht mehr damit aufhören konnte. Er beäugte Geoffrey astigmatisch, als der die Getränke bestellte.
»Fremd hier?« fragte er. »Noch nie hier gewesen?«
»Nein«, sagte Geoffrey knapp. Er wollte sich nicht durch nett gemeintes Geplauder von seinem Bier abhalten lassen.
»Es wird Ihnen gefallen«, sagte der andere ohne besondere Überzeugungskraft. »Das Bier hier aus der Gegend ist gut, und die Leute sind nett.« Seinem Akzent nach stammte er eindeutig nicht aus Devon. »Komischer Name für ein Pub, was?«
»Allerdings.«
»Man sollte doch meinen, daß so ein Name irgendeine Geschichte hat, nicht?«
»Ja.«
»Ist aber nicht der Fall. Irgend jemand hat ihn sich einfach irgendwann mal ausgedacht.«
Geoffrey warf ihm einen verächtlichen Blick zu und kehrte mit den Gläsern in der Hand unsicher zu den anderen zurück. Sie hatten sich in einer versteckten Nische niedergelassen. Frances Butler schlug die Beine übereinander, strich sich den Rock mit unwillkürlicher Sittsamkeit glatt und sagte:
»Sie hätten sich keine Sorgen zu machen brauchen – Harry redet mit niemandem länger als eine Minute am Stück. Das kenne ich inzwischen von ihm.«
»Kommen Sie oft her?« fragte Fielding.
»Ach, ab und zu. Ich bin kein Stammgast, wenn Sie das meinen. Aber es ist das nächste Pub vom Gästehaus aus.«
»Ich könnte mir vorstellen«, sagte Fielding vorsichtig, »daß Sie auf viele alberne Vorurteile gestoßen sind, weil Sie in Pubs gehen – wo Ihr Vater doch Praecentor ist und so weiter.«
»Dagegen bin ich machtlos«, sagte Frances und schmunzelte. »Es gibt bestimmt einige, aber die halten mich ohnehin für ein Flittchen. Daß ich in Pubs gehe, spielt da auch keine Rolle mehr. Und Daddy scheint nichts dagegen zu haben – das ist die Hauptsache. Er hat mich schrecklich streng erzogen, bis ich achtzehn war, aber seitdem gibt er mir einfach jede Menge Geld und läßt mich tun, was mir gefällt. Die alte Meg – die Haushälterin im Gästehaus – ist krank geworden, und man kriegt heutzutage einfach kein Personal mehr, nicht für Geld und gute Worte, also bin ich bei Daddy ausgezogen und mache jetzt dort den Haushalt. Die Männer sind davon nicht sehr angetan, glaube ich. Jeder hat Angst, die anderen könnten denken, er hätte ein Auge auf mich geworfen. Sie glauben ja nicht, was die veranstalten, um bloß nicht in die Nähe meines Zimmers zu kommen, und was sie für ein Spektakel machen, wenn sie ins Bad gehen.«
Sie lachte und trank mit einem theatralischen Anstrich von Verruchtheit von ihrem Pink Gin. Geoffrey kam der Gedanke, daß sie wahrscheinlich ein unschuldiges, kindisches Vergnügen daraus zog, sich verrucht zu geben. Er bezweifelte jedenfalls, daß sie das wirklich war. Aber ihm war auch klar, daß eine angemessene Einschätzung ihrer guten und schlechten Seiten nach dem, was er bislang von ihr wußte, noch ausgeschlossen war. Auf alle Fälle war sie attraktiv – sehr attraktiv, wie er plötzlich fand. Und er seufzte angesichts seiner enormen Unerfahrenheit in Liebesdingen.
»Müde?« fragte sie.
»Nein. Bloß zufrieden.« Das war, so dachte er, eigentlich keine richtige Lüge. »Wissen Sie«, sagte er, »daß ich heute dreimal angegriffen worden bin?«
Sie lachte. »Angegriffen? Was in aller Welt meinen Sie damit?«
»Ein Mann wollte mir in einem Laden eins über den Kopf geben« – »Kaufhaus«, sagte Fielding automatisch – »ein anderer wollte mir einen Koffer voller Eisen auf den Kopf fallen lassen, und ein dritter hat mich im Zug auf der Toilette eingeschlossen. Das heißt –« Geoffrey suchte krampfhaft nach passenderen
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