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Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Titel: Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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war nun aber ungerecht, und Fielding, der an der Kathedrale vorbei auf die Dächer der Altstadt und der Flußmündung dahinter blickte, empfand das auch so. Andererseits war jetzt sicherlich nicht der geeignete Zeitpunkt, es auf einen Streit ankommen zu lassen. Geoffrey hatte nicht nur körperliche Schmerzen (obwohl sie inzwischen beträchtlich nachgelassen hatten), sondern war auch ansonsten extrem gereizt. Die menschliche Geduld darf nicht über Gebühr beansprucht werden; von einem gewissen Punkt an stellt das Kreuzworträtsel oder das Kryptogramm oder das Silbenrätsel keine Unterhaltung mehr dar, sondern wird zum Ärgernis. Diesen Punkt hatte Geoffrey in der jetzigen Lage längst hinter sich, und sein jüngstes Entkommen erfreute ihn nicht etwa, sondern trieb ihn aufgrund seiner Sinnlosigkeit in den Wahnsinn.
    »Ich begreife einfach nicht«, sagte er zum zehnten Mal, » warum sie mir, als sie mich genau da hatten, wo sie mich haben wollten, nicht einfach einen Schlag auf den Kopf gegeben und mich aus dem Zug geworfen haben.«
    Fielding betrachtete traurig einen betagten Gepäckträger, der versuchsweise einen Schrankkoffer anstieß und anscheinend hoffte, ihn zu selbsttätiger Bewegung anzuregen. »Vielleicht sind sie gestört worden«, war alles, was er sagte.
    »Man kann nicht gestört werden, wenn man in einer Toilette eingeschlossen ist.«
    »Vielleicht haben sie gemerkt, daß Sie der Falsche waren, und sich aus dem Staub gemacht.«
    »Der Falsche!«
    Fielding seufzte. »Nein, das ist unwahrscheinlich. Die scheinen das Ganze sehr gut organisiert zu haben«, fügte er mit einer gewissen melancholischen Genugtuung hinzu. »Es sei denn, Sie haben sich das alles bloß eingebildet.«
    »Eingebildet«, sagte Geoffrey gereizt. »Natürlich nicht.«
    »Er hat Sie nicht vielleicht nur nach der Uhrzeit gefragt?«
    » Uhrzeit ! Man folgt doch anderen Leuten nicht auf die Toilette und verriegelt die Tür, wenn man sie bloß nach der Uhrzeit fragen will.«
    Fielding seufzte erneut; er atmete lange und geräuschvoll aus. Die Diskussion, so dachte er, brachte nichts. »Ist es weit?« fragte er.
    »Ja, sehr weit«, sagte Geoffrey, der sich ärgerte, so rüde von seinem Steckenpferd gerissen zu werden; er meinte auch zu merken, wie das Tier weggeführt wurde. Aber irgend etwas anderes war Fielding in den Sinn gekommen, denn er drehte sich abrupt um und sagte:
    »Die Briefe.«
    Geoffrey sah ihn einen Moment lang schweigend an und durchsuchte dann seine Taschen. Die Briefe waren verschwunden.
    »Sehr gründlich«, sagte Fielding trocken. »Als sie gemerkt haben, daß Sie trotz der Warnungen herkommen würden, haben sie beschlossen, die Briefe verschwinden zu lassen, damit Sie keine Möglichkeit haben, die Schreibmaschine zu finden, auf der sie getippt wurden.«
    »Das war’s also. Verdammt. Aber das erklärt noch nicht, warum ich nicht niedergeschlagen wurde.«
    »Wenn man so eine Sache plant, kann man seinen Leuten nicht freie Hand lassen, einfach das zu tun, was die Situation verlangt. Außerdem wußte dieser Bursche vielleicht nicht mal, worum es eigentlich ging. Ich vermute, er sollte Ihnen bloß die Briefe abnehmen, und als Sie in Ohnmacht gefallen sind, bestand keine Notwendigkeit mehr, Gewalt anzuwenden.« Fielding stieß einen leisen Pfiff aus. »Die sind ganz schön gründlich.«
    Die Hitze hatte ein wenig nachgelassen. Peace war schon in eine andere Richtung gegangen, vermutlich zum Haus des Praecentors. Die Frau mit der Reisedecke und der junge Geistliche waren längst verschwunden. Geoffrey sah auf seine Uhr und stellte fest, daß der Zug nur sieben Minuten Verspätung gehabt hatte. Er und Fielding gingen den Hügel hinunter, Fielding trug beide Koffer und Geoffrey das unvermeidliche Schmetterlingsnetz. Rechts von ihnen stand die Kathedrale, friedlich und schön. Die große Rosette im südlichen Querschiff leuchtete kurz in satter, roter Schönheit zu ihnen herüber, und die Möwen sausten kreischend um den schlanken achteckigen Turm.
    Die Mischung aus Tabakläden und schäbigen Pubs um den Bahnhof herum wich schon bald einer recht langweiligen Straße mit kleinen Einfamilienhäusern, und dann kamen die verwahrlosten schönen Häuser der Altstadt. Kurz hinter der Grenze zwischen diesen beiden Welten bogen sie nach rechts und erreichten schon bald das schmiedeeiserne Tor des Gästehauses, das im 18. Jahrhundert erbaut worden war, um das alte, neben dem nördlichen Querschiff stehende Gästehaus zu ersetzen;

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