Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
übrig. Da die menschliche Eitelkeit ist, wie sie ist, stellt letzteres den offensichtlichen Grund für meine Abscheu gegen unseren dahingeschiedenen Freund dar.« Dallow war unsinnigerweise vor Ärger leicht errötet.
»Und Brooks?«
»Ah, Brooks mochte ich gern. Er war durch und durch Musiker. Unter seiner Regie haben die Jungen gesungen, wie ich nie zuvor Jungen habe singen hören. Er , mein li-ieber Professor, war ein Künstler.« Dallow stand auf und schritt leichtfüßig im Raum umher. » O ces voix d’enfants «, rief er, » chantant dans la coupole! «
Doch Fen tat diese Mallarmésche Schwärmerei mit einer Handbewegung ab. »Warum hätte jemand Brooks ermorden sollen?« fragte er.
Der Kanzler blieb stehen und befingerte eine von drei großen Orchideen in einer chinesischen Vase. »Ich vermute«, murmelte er, »daß Butler dahintersteckte.«
»Nein.«
»Wie Sie meinen.« Dallow zuckte ostentativ mit den Schultern und schritt wieder auf und ab. »Brooks hatte, soviel ich weiß, keine Feinde. Butler dagegen hatte viele, mich eingeschlossen. Aber wer die beiden ermordet hat, ist mir ein Rätsel.«
Er war zumindest offen, dachte Geoffrey. Doch ach, Offenheit und Täuschung auseinanderzuhalten war schwer – jeder Bluff konnte zwei-, drei- oder gar vierfach sein! Überdies war Dallow durchaus intelligent genug, um Theater zu spielen. Der Poseur verbirgt sein wahres Ich so gekonnt, daß sein falsches Spiel nur schwer zu durchschauen ist; wo keine erkennbare Wahrheit ist, kann es auch keine offensichtliche Lüge geben.
Doch Fen, der kaum etwas von der traditionellen Hartnäkkigkeit des Detektivs besaß, langweilte sich schon. Er scharrte ungeduldig mit den Füßen und wechselte das Thema. »Ist St. Ephraim ein Wiedergänger?« fragte er.
Dallow blickte einen Moment lang verständnislos drein. »St. Ephraim?«
»Wie ich höre, kursieren im Ort Gerüchte über die sonderbare Methode, mit der Butler ermordet wurde – das Grab.«
Dallows Miene erhellte sich. Plötzlich klatschte er mit kindlicher Ausgelassenheit in die Hände. »Ich verstehe! Nein, St. Ephraim hat soweit bekannt nie den Frieden der Lebenden gestört. Der umtriebigste Geist in der Gegend ist natürlich Bischof John – ein ganz hervorragendes Gespenst.«
Draußen hatte ein sanfter, warmer Regen eingesetzt. Wasserperlen sammelten sich an der Fensterscheibe, verschmolzen miteinander, trennten sich, verschmolzen erneut. Fen starrte geistesabwesend in den Garten hinaus.
Geoffrey blickte verwundert. »Ich wünschte, ich wüßte ein wenig mehr darüber.«
»Spitshuker meint«, sagte Fen. »Sie könnten uns einige Informationen über den Bischof geben. Die bloße Tatsache, daß etliche unglückliche junge Frauen ihm den Scheiterhaufen zu verdanken hatten, ist uns bekannt. Aber sein Geist ruht offenbar unruhig in seinem sonderbaren Grab und scheint sogar noch unruhiger geworden zu sein, seit sein Grab geschändet wurde.«
Dallow war sichtlich angetan von der Wendung, die das Gespräch genommen hatte. »Das glauben die Leute«, sagte er. »Es ist mir bereits zu Ohren gekommen – und möglicherweise stimmt es sogar. Die Geschichte, warum er in der Bischofsgalerie bestattet werden wollte, ist interessant. Offenbar konnte er die Vorstellung nicht ertragen, im Tod vollständig eingeschlossen zu sein – eine Art postume Klaustrophobie.« Dallow kicherte. »Die Galerie bot ihm sozusagen einen Zugang zur Welt – und nicht nur eine, sondern viele Personen haben ihn schon hinter der Brüstung schweben sehen. Ihn – und eine Frau.«
Die Regenwolken trübten das Licht, und der Raum war jetzt dunkler. Geoffrey rutschte unbehaglich hin und her. Das hier war Zeitverschwendung, und dennoch … Und dennoch hätte er es sich um nichts auf der Welt entgehen lassen wollen, mehr über Bischof John Thurston zu erfahren. Er witterte Geheimnisvolles. Und er täuschte sich nicht.
»Die Geschichte«, sagte Dallow, »ist interessant. Der Bischof war erst fünfundzwanzig, als er 1688 hierherkam. Wie es damals häufig der Fall war, erhielt man derartige Positionen durch einflußreiche Beziehungen, und ob der Kandidat geeignet war oder über Erfahrungen verfügte, spielte so gut wie keine Rolle. Jedenfalls muß das bei ihm so gewesen sein. Er war ein seltsam widersprüchlicher Mensch – eine unverträgliche Mischung aus Lebemann und Puritaner. Sein Vater hatte zu Cromwells Leuten gehört und sich spät mit einer Frau vermählt, die aus einer angesehenen
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