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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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Neunte.«
    Brasil brummte. Er war ähnlich unkommunikativ gewesen, seit wir von Akan herübergekommen waren. Er schien den Schock immer noch nicht überwunden zu haben, dass Nikolai Natsume der Welt und dem Fleisch entsagt hatte.
    Wir folgten dem Weg durch die Hügel hinauf und stellten fest, dass das Tor gerade weit genug offen stand, um hindurchtreten zu können. Drinnen erwartete uns eine Halle aus poliertem Erdholzfußboden und mit Balkendecke, an die sich ein zentraler Garten anschloss. Dort blühten Bäume, die nach Kirschen aussahen. Die Wände zu beiden Seiten waren mit kompliziert gefärbten Bildteppichen behängt, und als wir uns in die Mitte der Halle bewegten, löste sich eine Gestalt aus dem Gewebe. Sie verwandelte sich in ein Gewirr aus Fäden, die in der Luft hingen, schwebte zu Boden und wurde zu einem Menschen. Er war in den gleichen Einheitsoverall gekleidet, den wir auch an den Entsagenden in der realen Welt gesehen hatten, aber sein Körper war kein Synth.
    »Kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte er freundlich.
    Brasil nickte. »Wir suchen nach Nik Natsume. Ich bin ein alter Freund von ihm.«
    »Natsume.« Der Mönch senkte für einen Moment den Kopf, dann blickte er wieder auf. »Er arbeitet zurzeit im Garten. Ich habe ihn über Ihre Anwesenheit informiert. Ich denke, er wird in wenigen Augenblicken hier sein.«
    Sein letztes Wort war noch nicht verklungen, als ein schlanker Mann mittleren Alters mit grauem Pferdeschwanz die Halle von der gegenüberliegenden Seite betrat. Soweit ich erkennen konnte, hatte er eine natürliche Erscheinung, aber sofern die Gärten nicht unmittelbar hinter der Ecke verborgen waren, war schon die Unverzüglichkeit seiner Ankunft ein Zeichen, dass hier trotzdem überall auf subtile Weise Systemzauber am Werk waren. Und sein Overall wies keinerlei Feuchtigkeits- oder Schmutzspuren auf.
    »Nik?« Brasil trat vor, um ihn zu begrüßen. »Bist du es?«
    »Aber gewiss würde ich behaupten, dass ich es bin.« Natsume glitt über den Holzboden näher. Aus der Nähe hatte er etwas an sich, das mich auf schmerzhafte Weise an Lazlo erinnerte. Der Pferdeschwanz und die drahtige Statur, eine Spur desselben manischen Charmes in seinem Gesicht. Ein paar Umwege machen und sieben Meter in einem spiegelglatten Stahlschacht hochklettern. Aber wo sich in Lazlos Augen ständig die Leine gezeigt hatte, mit der er sich selbst im Zaum hielt, schien Natsume sein inneres Aufbäumen zu einem einvernehmlichen Frieden gedämpft zu haben. Sein Blick war aufmerksam und ernst, aber er verlangte nichts von der Welt, die er sah. »Obwohl ich es dieser Tage vorziehe, mich Norikae zu nennen.«
    Er tauschte eine kurze Serie von Ehrenbezeugungen mit dem anderen Mönch aus, der gleich darauf emporglitt, zu einer Masse aus farbigen Fäden zerfetzt wurde und sich wieder in den Wandteppich einfädelte. Natsume blickte ihm nach, dann wandte er sich uns zu und musterte uns. »Ich fürchte, in diesen Körpern erkenne ich keinen von euch beiden wieder.«
    »Wir sind uns nie zuvor begegnet«, versicherte ich ihm.
    »Nik, ich bin’s. Jack. Von Vchira.«
    Natsume betrachtete für einen Moment seine Hände, dann sah er wieder Brasil an.
    »Jack Soul Brasil?«
    »Ja. Was machst du hier, Mann?«
    Ein knappes Lächeln. »Lernen.«
    »Was? Habt ihr hier drinnen einen Ozean? Um wie am Vier-Finger-Riff zu surfen? Felsen wie die in Pascani? Komm schon, Mann!«
    »Im Augenblick lerne ich gerade, Filigranmohn zu kultivieren.
    Ein bemerkenswert schwieriges Unterfangen. Vielleicht hättet ihr Lust, euch meine bisherigen Bemühungen anzusehen.«
    Brasil trat unbehaglich von einem Bein auf das andere. »Hör mal, Nik, ich bin mir nicht sicher, ob wir genug Zeit haben, um…«
    »Ach, Zeit gibt es hier genug.« Wieder das Lächeln. »Zumindest die nötige Flexibilität. Ich schaffe euch Zeit. Bitte hier entlang.«
    Wir verließen die Halle und gingen links um das kirschblütige Viereck herum, dann traten wir durch einen Bogen auf einen mit Kies bestreuten Hof. In einer Ecken knieten zwei meditierende Mönche, die nicht aufblickten. Es war unmöglich zu sagen, ob sie menschliche Bewohner des Klosters waren oder nur Funktionen des Konstrukts – so wie der Pförtner. Zumindest schenkte Natsume ihnen keinerlei Beachtung. Brasil und ich sahen uns an, und ich erkannte, dass Besorgnis in den Zügen des Surfers stand. Ich konnte seine Gedanken lesen, als hätte er sie mir ausgedruckt. Das war nicht mehr der Mann, den er einmal

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