Heiliger Zorn
verlassenen Halle. »In der Hand. Karten wie du erwartet hast, Sylvie. Paar mehr, höchstens.«
Sie verteilten die Sprengsätze.
Ich blickte zur gewölbeartigen Decke empor.
»O nein. O nein, ihr wollt mich wohl verarschen.« Ich versuchte abzusteigen, aber Jadwigas tote Arme umklammerten fest meinen Brustkorb. »Sylvie!«
Sie blickte kurz von der schwarzen tragbaren Einheit auf, die vor ihr auf dem Glasboden lag. Die bunten Datenkolonnen auf den abgeschirmten Displays veränderten sich, während ihre Finger über die Kontrollen huschten.
»Nur ein paar Minuten, Mick. Länger dauert’s nicht.«
Ich zeigte mit dem Daumen auf Jadwiga. »Schaff mir dieses verfluchte Scheißding vom Leib, bevor ich es kaputtmache, Sylvie.«
Seufzend richtete sie sich auf. Jadwiga ließ mich los und sackte nach hinten. Ich drehte mich auf dem Sattel und hielt sie fest, bevor sie zu Boden stürzen konnte. Sylvie erreichte mich etwa gleichzeitig. Sie nickte nachdenklich.
»In Ordnung. Du willst dich nützlich machen?«
»Ich will wissen, was die Scheiße hier soll.«
»Später. Bis dahin kannst du das Messer nehmen, das ich dir in Tekitomura gegeben habe, und den Stack aus Jads Wirbelsäule schneiden. Das scheint ja zu deinen Basisqualifikationen zu gehören, und ich wüsste nicht, dass es gerne jemand anderer machen würde.«
Ich blickte auf die tote Frau in meinen Armen hinab. Sie war mit dem Gesicht nach unten vornübergekippt, ihre Sonnenbrille war heruntergefallen. Ein totes Auge fing das schwache Licht auf.
»Ich soll es jetzt machen?«
»Ja, jetzt.« Ihre Augäpfel wanderten nach oben, als sie auf ein Netzhautdisplay schaute. Wir hatten offenbar einen Zeitplan. »In den nächsten drei Minuten, mehr Zeit haben wir nicht.«
»Hier drüben ist alles fertig«, rief Orr.
Ich stieg ab und legte Jadwiga auf den Verbundglasboden. Das Messer sprang in meine Hand, als würde es dorthin gehören. Ich schnitt am Nacken durch die Kleidung der Toten, zog die Stoffschichten auf und legte das bleiche Fleisch darunter frei. Dann schaltete ich die Klinge ein.
Die anderen sahen sich unwillkürlich zu mir um, als sie das Brummen hörten. Ich blickte zurück, und sie wandten sich ab.
Unter meinen Händen lösten sich Jads Wirbel mit zwei schnellen Schnitten und einer kurzen Hebelbewegung. Der aufsteigende Geruch war ziemlich schlimm. Ich wischte das Messer an ihrer Kleidung ab und steckte es wieder ein. Dann begutachtete ich das von Gewebe verklebte Stück Wirbelsäule und richtete mich auf. Orr trat mit langen Schritten auf mich zu und streckte die Hand aus.
»Das nehme ich.«
Ich zuckte die Achseln. »Gerne doch. Bitte.«
»Wir sind so weit.« Hinten klappte Sylvie mit einer endgültigen Bewegung etwas an der tragbaren Einheit zu und richtete sich auf. »Ki, willst du uns die Ehre erweisen?«
Kiyoka trat neben mich und sah auf Jads verstümmelte Leiche hinab. In der Hand hielt sie etwas, das glatt, grau und eiförmig war. Eine ganze Weile – so kam es mir zumindest vor – standen wir schweigend da.
»Die Zeit wird knapp, Ki«, erinnerte Lazlo sie leise.
Langsam ließ Kiyoka sich neben Jadwigas Kopf auf die Knie sinken und steckte die Granate in das Loch, das ich ihr in den Nacken geschnitten hatte. Als sie sich wieder erhob, veränderte sich etwas in ihrem Gesicht.
Orr berührte sie sanft am Arm.
»Sie wird wieder so gut wie neu«, versicherte er ihr.
Ich blickte zu Sylvie. »Wollt ihr mich dann vielleicht mal einweihen?«
»Klar doch.« Sie machte eine Kopfbewegung in Richtung der tragbaren Einheit. »Unsere Ausstiegsklausel. Die Datenmine da drüben geht in ein paar Minuten hoch und knipst alle Komgeräte und Sensoren in der Gegend aus. Ein paar Minuten später gehen dann die Krachmacher hoch. Erst verteilen sie überall kleine Fetzen von Jad, und dann stürzt das Gebäude ein. Und wir sind weg. Zur Hintertür raus. Unsere Motoren sind abgeschirmt, die überstehen den EMP, und wenn die Frischlinge ihre Sensoren wieder in Gang kriegen, sind wir schon längst außer Sicht. Sie werden genug Stücke von Jad finden, damit es aussieht, als hätten wir ein Karakuri-Nest oder eine intelligente Bombe aufgescheucht und wären bei der Explosion atomisiert worden. Womit wir wieder einmal freie Unternehmer wären. So, wie wir es am liebsten haben.«
Ich schüttelte den Kopf. »Das ist der beschissenste Plan, den ich je gehört habe. Was ist, wenn…«
»He.« Orr starrte mich feindselig an. »Wenn es dir nicht passt, kannst du ja
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