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Heiliges Feuer

Heiliges Feuer

Titel: Heiliges Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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dürfen? Wenn du willst, bettele ich darum. Du musst es mir bloß sagen.«
    Paul blickte sich verlegen im Abteil um. »Bitte mach jetzt keine Szene.«
    »Ich muss weinen! Ich will weinen, ich hab’s nötig! Mir geht es nicht gut. Ich habe keinen Stolz. Ich habe keine Würde - ich habe überhaupt nichts. Ich bin so verletzt, wie du es dir gar nicht vorstellen kannst. Was bleibt mir anderes übrig, als zu weinen? Du hast mich ertappt. Ich bin dir auf Gnade und Ungnade ausgeliefert. Wenn du willst, kannst du mich vernichten.«
    »Du könntest uns vernichten. Vielleicht willst du das ja.«
    »Nein, das will ich nicht. Gib mir eine Chance! Ich kann lebendig sein. Ich kann sogar schön sein. Lass es mich versuchen. Gib mir eine Chance, Paul - ich wäre ein interessantes Studienobjekt für euch.«
    »Ich würde ja gern«, sagte er. »Ich schmause gern mit Raubkatzen. Aber die Sicherheit meiner Freunde aufs Spiel setzen? Ich weiß nichts von dir, bloß dass du gut aussiehst und posthuman bist. Weshalb sollte ich dir vertrauen? Warum fliegst du nicht einfach wieder heim?«
    »Weil ich nicht nach Hause zurückkehren kann. Man würde mich wieder alt machen.«
    Paul riss die Augen auf. Sie war zu ihm durchgedrungen, sie hatte ihn berührt. Schließlich reichte er ihr ein Taschentuch. Sie blickte ihn übers Taschentuch hinweg an, betastete es sorgfältig, um sicherzugehen, dass es keine Hardware war, dann wischte sie sich die Tränen ab und putzte sich die Nase.
    Paul drückte einen Knopf am Rand des Tisches.
    »Du hast Emil in der Gruppe bleiben lassen«, meinte sie schließlich, »und Emil ist gefährlicher als ich.«
    »Ich bin für Emil verantwortlich«, sagte er düster.
    »Was soll das heißen?«
    »Er hat das Amnetikum auf meine Veranlassung eingenommen. Ich habe alles arrangiert.«
    »Du warst das? Wissen das die anderen?«
    »Es war eine gute Idee. Du hast Emil damals nicht gekannt.«
    Eine Riesenkrabbe stakste die Decke des Abteils entlang. Sie bestand aus Knochen, Chitin, Pfauenfedern, Innereien und Stahldraht. Sie hatte zehn mehrgelenkige Beine und kleine Gummifüße, die an hakenförmigen stählernen Knöcheln befestigt waren. An der Oberseite des flachen, gesprenkelten Rückenschilds war mittels Saugnäpfen ein Tablett befestigt.
    Sie tastete sich an kaum wahrnehmbaren Vertiefungen in der Decke entlang und ließ sich neben Maya und Paul zu Boden fallen. Die Krabbe musterte sie mit ihren kreisförmig angeordneten babyblauen Augen. »Oui, monsieur?«
    »[Die Mademoiselle möchte eine Flasche eau minerale und zweihundert Mikrogramm Alcion]«, sagte Paul. »[Ich nehme ein limoncello und ... ach, bring uns doch ein halbes Dutzend Croissants].«
    »Tres bien.« Die Krabbe stakste davon.
    »Was war das denn?«, fragte Maya.
    »Das ist der Steward.«
    »Das habe ich mir auch schon gedacht, aber was war das? Lebt es? Ist es ein Roboter? Eine Art Krabbe?«
    Paul wirkt leicht genervt. »Mit Verlaub, das ist der StuttgartExpress, weißt du?«
    »Oh. Okay Tut mir Leid.«
    Paul musterte sie nachdenklich. »Armer Emil«, meinte er schließlich.
    »Sag das nicht! Dazu hast du kein Recht! Ich tue ihm gut. Davon verstehst du nichts.«
    »Tust du Emil wirklich gut?«
    »Was soll ich tun, damit du mir vertraust? Du kannst mich nicht einfach abschreiben, du kannst mich nicht einfach rauswerfen. Du sagst, du möchtest, dass ungewöhnliche Dinge passieren. Also, ich bin wirklich ungewöhnlich, findest du nicht? Und ich passiere.«
    Paul trommelte mit den Fingerspitzen auf den Tisch und ließ sich das durch den Kopf gehen. »Ich würde gern einen Bluttest mit dir machen«, sagte er.
    »Einverstanden. Klar.« Sie krempelte sich den Pulloverärmel hoch.
    Er erhob sich, nahm seinen Rucksack aus dem Gepäckfach, öffnete ihn, wühlte darin und zog ein Bluttestmoskito hervor. Er legte ihr das kleine Gerät auf den Unterarm. Es schnüffelte umher, hockte sich hin und versenkte den haardünnen Rüssel. Es tat überhaupt nicht weh. Allenfalls spürte sie ein leichtes Jucken.
    Paul nahm ihr das blutgefüllte Gerät wieder ab. Es klappte die Flügel aus, auf denen daumennagelgroße Displays angebracht waren. Paul beugte sich vor und betrachtete die Anzeigen.
    »So«, meinte er nach einer Weile. »Wenn du dein Geheimnis wahren willst, solltest du dein Blut besser nicht testen lassen.«
    »Okay.«
    »Du bist ausgesprochen anämisch. In deinen Adern kreisen außer Blut noch eine Menge anderer Flüssigkeiten.«
    »Ja, das sind die

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