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Heimat

Heimat

Titel: Heimat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Schmitt-Roschmann
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Was haben wir gespottet.«

    Die DDR habe versucht, den Begriff Heimat politisch auszufüllen. »Die Heimat sollte nicht eine Region sein, nicht eine Landschaft, nicht eine kulturelle Landschaft, sondern die Deutsche Demokratische Republik.« Dazu hob die SED-Staatsführung 1952 die alten Länder auf und richtete neue »Bezirke« ein. »Das war die Idee, für Heimat eine neue Topografie
zu finden, eine politische Topografie«, meint Olbertz. Aus Chemnitzern wurden Karl-Marx-Städter, aus den Sachsen die Bewohner des Bezirks Dresden. »Das ist misslungen auf ganzer Linie. Ich kenne niemanden, der ein Heimatgefühl zu seinem Bezirk hat.« Nie würde er sagen »Ich bin Bezirk-Rostocker«. Das »Ich bin Mecklenburger« geht ihm dagegen leicht über die Lippen.

    Die DDR kämpfte also praktisch durch ihre gesamte Geschichte hindurch mit ihrer Identität, die sie andererseits in Abgrenzung zum westdeutschen Staat und für die jahrzehntelang umstrittene Anerkennung auf internationaler Ebene so dringend brauchte. »Die DDR-Führung hat natürlich immer versucht, aus der DDR eine Heimat zu machen für ihre Menschen, einfach, weil sie von Anfang an vor dem Problem stand, dass sie keine Legitimität besaß«, sagt der westdeutsche Historiker Hermann Wentker, Leiter des Berliner Zweigs des Instituts für Zeitgeschichte. 173 Schon die ersten Wahlen 1950 seien nicht frei gewesen, die SED habe die Blockparteien mit Einheitslisten ausgebremst. Er sieht darin ein Zeichen von Misstrauen des Staats gegenüber seinen Bürgern. Das habe die Regierung aber nicht nur zu Überwachung getrieben, sondern auch zu immer neuen Bemühungen um Konsens und Rückhalt - zum Beispiel in Massenveranstaltungen, wo per Akklamation öffentliche Zustimmung organisiert wurde.

    Wentker ist fest überzeugt, dass es zu keinem Zeitpunkt der 40-jährigen DDR-Geschichte echte Unterstützung der Bevölkerung für das System gab. »Haben sich die DDR-Bürger mit der DDR identifiziert? Da würde ich doch ein großes Fragezeichen machen.« Dennoch hatte das Verhältnis zwischen Staatsmacht und Beherrschten, die Zufriedenheit der DDR-Bürger mit ihrem Staat »Konjunkturen«. Der entscheidende Einschnitt war aus Wentkers Sicht der Mauerbau 1961, der die Alternative Bleiben oder Weggehen weitgehend nahm. Danach habe man sich einrichten müssen in einem »erzwungenen Arrangement«, meint der Historiker, der darin aber noch nicht unbedingt den Anfang einer »Beheimatung« sieht.

    Mit dem traditionellen Heimat-Begriff des 19. Jahrhunderts zwischen
lokaler Verwurzelung, Brauchtum und Anti-Urbanismus hatten die DDR-Oberen von Anfang an ihre Probleme. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg versuchten die alten Heimat- und Geschichtsvereine in der Sowjetisch Besetzten Zone, sich zu berappeln, wie der Historiker Thomas Schaarschmidt in seiner Studie über die sächsische Heimatbewegung darlegt. 174 Der neuen politischen Führung war das suspekt, waren die alten Vereine doch eine durch und durch bürgerliche Institution und in den Augen der SED ein Spaltpilz. Dass sie in der NS-Zeit teils personell mit dem nun untergegangenen Staat verwoben waren, bot ebenfalls Angriffsfläche. Andererseits sahen die Sozialisten natürlich auch, dass die kleinteiligen, lokal verwurzelten Vereine eine wichtige Funktion als sozialer Kitt übernehmen konnten. Sie lösten das Dilemma, indem sie die »Natur- und Heimatfreunde« dem neuen DDR-Kulturbund einverleibten, wo sie anfangs noch ziemlich autonom, bald schon aber nach immer rigideren ideologischen Vorgaben der SED agieren sollten. 175

    Die Einheitspartei brauchte bis Ende der 50er-Jahre, bis sie sich die Vision einer »sozialistischen Heimat« modelliert hatte. Sie begann mit der scharfen Abgrenzung gegen »Volkstümelei« und wetterte unter anderem gegen die Landsmannschaften der Ostflüchtlinge in der DDR. Regionalismus, das Grundprinzip der Heimatbewegung, lag ebenfalls nicht im Interesse der neuen Machthaber. Zählen sollte das große Ganze - der Staat als Identifikationsebene statt lokalen Süppchenkochens der Vereinsmeier. Zu Nutze machen wollte sich die SED den erprobten Mechanismus, Heimatliebe für militärische Zwecke zu aktivieren. »Wer seine Heimat liebt, wird nicht zulassen, dass sie von unseren Feinden zerstört wird«, dozierte der Kulturbund-Sekretär Karl Kneschke in seinem Beitrag »Von der Liebe zur deutschen Heimat« 1950. »Wer seine Heimat liebt, liebt sein Volk, liebt den Frieden, liebt die Freundschaft der Völker

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