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Heimaturlaub

Heimaturlaub

Titel: Heimaturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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trotz Stalingrad, trotz Luftangriffen, trotz Hungersnot!«
    »Ich hoffe, Sie sprechen nicht überall so frei von der Leber weg – das könnte sehr schnell gefährlich werden.«
    »Ist das Ihre einzige Antwort, Dr. Elbers?!!«
    Der Ministerialrat sah zur Seite.
    »Ich habe keine neuen Informationen. Bei unserer letzten Besprechung bei Dr. Goebbels hieß es: Die Presse proklamiert den Sieg unter allen Umständen. Danach richte ich mich.«
    Wüllner zerdrückte den Rest seiner Zigarette in dem Bernsteinaschenbecher.
    »Also wieder nichts Positives. Nur Theorie. – Und Ihre Ansicht, Dr. Elbers? Gewinnen wir den Krieg?«
    »Ich … weiß nicht.«
    »Haben wir Aussichten, ihn zu gewinnen?«
    »Aussichten schon, aber wie gut sie sind, weiß ich nicht.«
    Wüllner tat dieser Mann irgendwie leid; er sollte das deutsche Volk mit positiver Propaganda aufrichten und war selbst sprachlos angesichts des heillosen Durcheinanders.
    »Lieber Elbers«, sagte er, »Sie und ich, wir sind doch nur Marionetten. Wir werden als dumme Jungs behandelt, die unfähig sind, das neue Zeitalter zu verstehen.«
    Dr. Elbers sah ihn entsetzt an.
    »Wie können Sie so zu mir reden? Ich könnte Sie sofort abführen lassen!«
    »Aber Sie tun es nicht, weil auch Sie sehen, was hier oben gespielt wird. Machen wir uns doch gegenseitig nichts vor. Sie selbst sind damals bei dem sogenannten Röhm-Putsch mit einem blauen Auge davongekommen …«
    Der Ministerialrat rutschte unruhig auf seinem Ledersessel hin und her. Die Erwähnung der Röhm-Affäre war ihm mehr als peinlich.
    »Röhm war ein Homosexueller.«
    »Er wurde abserviert, weil er nicht mehr mitspielte. Andere, die das auch gern möchten, sind nur zu feige dazu. Das bedeutet selbstverständlich nicht, daß ich Röhm zu einem Helden oder Märtyrer hochstilisieren will!«
    Dr. Elbers bekam einen Schüttelfrost.
    »Und Sie sind wahnsinnig.«
    Wüllner sprang auf und wanderte mit großen Schritten auf und ab.
    »Dann sagen Sie mir: Was soll ich berichten? Wir verlieren den Krieg, so wahr Napoleon bei Leipzig geschlagen wurde. In Rußland die unendlichen Menschenmassen, aus Amerika das unglaubliche Vernichtungsmaterial, im eigenen Land der Hunger und der Verlust der Luftherrschaft … wir sind am Ende! Wir können nicht mehr! Und wir verdienen es auch nicht anders. In Polen sah ich Massengräber mit Tausenden von Juden, Frauen und Kindern, Männern und Greisen. Die SS nannte sich stolz ›Umlegekommando‹ und brüstete sich damit, daß sie erst den weinenden Säugling auf dem Arm der Mutter und dann die Mutter selbst erschossen hätte, während diese Menschen betend an den selbst geschaufelten Gräbern standen. Ich habe die kleinen Kiefern gesehen, die man über diesen Gräbern pflanzte. Und seitdem frage ich mich: Gehören wir noch zur europäischen Völkerfamilie, wenn wir solche Bestialitäten dulden? Vor wenigen Jahren schrien von allen Säulen die Worte Dietrich Eckarts: Deutschland erwache! Heute wäre es viel mehr und aus wirklicher Not an der Zeit, daß an allen Häusern mit Flammenzeichen geschrieben stünde: Deutschland erwache!!!«
    Dr. Elbers erhob sich ebenfalls. »Sie dürfen so nicht reden, Wüllner. Sie sind Soldat und Kriegsberichter.«
    »Auch für den Gehorsam gibt es eine Grenze.«
    »Nicht im Führerstaat Deutschland. Da ist Gehorsam das oberste Prinzip. Da werden Befehle erteilt und damit basta. Auch für Sie habe ich einen neuen Befehl.«
    »Etwa wieder an die Ostfront?«
    »Nach Osten schon – aber mit einem kleinen Schwenk in Richtung Süden. Mehr darf ich Ihnen im Augenblick nicht sagen. Genaueres erfahren Sie morgen bei der bewußten Stelle. Sie kennen sich ja aus.«
    Dr. Elbers kam um den Schreibtisch herum, blieb vor dem Bild Adolf Hitlers stehen und sprach mehr zu sich selbst, als sei sonst niemand im Raum:
    »National … Sozial … Zum Wohle des deutschen Volkes …«
    Dann wandte er sich wieder Heinz Wüllner zu:
    »Ihnen ist klar, um was es geht, Wüllner. Seien Sie tapfer bis zum Ende. Es gibt keine andere Wahl. Wo dieser Weltbrand enden wird und wie … das wissen nur die Götter. Aber vielleicht wissen nicht einmal die es.«
    Er drückte dem Kriegsberichter die Hand. Die beiden Männer blickten sich in die Augen und fühlten, daß sie sich einig waren – und trotzdem war jeder auf sich allein gestellt. Diese Epoche, in der lauthals Volksgemeinschaft propagiert wurde und Kameradschaft und ›alle für einen, einer für alle‹, war in Wirklichkeit die Zeit der

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