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Heimaturlaub

Heimaturlaub

Titel: Heimaturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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danke dir …«
    Dann dämmerte sie hinüber in die Welt des Traumes, und ihre Lippen flüsterten und bebten … »Mein Heinz … mein lieber, lieber Heinz …«
    Am nächsten Morgen kam Hilde auf der Straße ein Mann in einem dunklen Lodenmantel entgegen und grüßte sie mit solcher Ehrfurcht, daß sie unwillkürlich stehenblieb und den Fremden musterte. Auch der Herr hielt im Gehen inne, kehrte zurück und zog den Hut.
    »Gnädige Frau, erkennen Sie mich nicht mehr?« fragte er. Hilde meinte, diese knöcherne Gestalt und die tiefe Stimme schon irgendwo gesehen und gehört zu haben.
    »Ich kann mich nicht recht entsinnen«, antwortete sie ehrlich, »aber bekannt kommen Sie mir schon vor.«
    »Wenn Sie gestatten: Borgas, Friedrich Borgas. Bildhauer.« Er verbeugte sich etwas steif und müde.
    Hilde war es, als müßte sie unwillkürlich zurückprallen. Das furchtbare Erlebnis in dem Weinlokal kam ihr ins Gedächtnis, das grauenvolle Schicksal dieses Mannes und seine Erzählung von einer Hölle, von der sie vorher nichts gewußt hatte. Wieder stand er wie ein Mahnmal des Schreckens vor ihr, ein Mahnmal dieser verfluchten, verdammten Zeit deutschen Niedergangs.
    Höflich sagte sie ein paar Phrasen und wollte weitergehen, aber da verbeugte sich Borgas wieder und sagte mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete:
    »Darf ich Gnädigste in ein kleines Café gleich hier in der Nähe einladen? Nachdem mein Freund Heinz wieder an der Front ist, fühle ich mich verpflichtet, auf Sie achtzugeben … zumal er mir das ans Herz legte, bevor er in den Balkan flog …«, fügte er nach einer kleinen Gedankenpause hinzu.
    Hilde wußte nicht, ob dies die Wahrheit oder eine Notlüge war, aber sie spürte auf einmal ein solches Verlangen, das Geheimnis dieses Mannes zu ergründen, daß sie zustimmte.
    In dem kleinen Café setzten sie sich hinten in eine Ecke, bestellten einen Glühpunsch und ein wenig Gebäck.
    »Wüllner ist ein patenter Junge«, sagte Borgas. »Er hat ja auch gestern abend im Radio gesprochen, da mußte ich an Sie denken – denn damals, als er abflog, da hat er mich vorher noch einmal angerufen. Friedrich, sagte er, paß mir ein bisserl auf die Hilde auf.«
    »Dann ist unser Zusammentreffen also gar kein Zufall?«
    »Schicksal, würde ich sagen – Schicksal! Aber sprechen wir lieber nicht von dieser Göttin … sie schlug mich zu hart, als daß ich sie lieben oder auch nur verehren könnte. Ich habe mir kürzlich ein kleines Atelier in Moabit gemietet. Nicht gerade eine schöne Gegend, aber billig und sauber für den Wiederaufbau!« Er legte in das Wort Wiederaufbau einen solchen bitteren und ironischen Ton, daß es Hilde unwillkürlich wieder über den Rücken lief wie ein Strahl Eiswasser.
    »Die erste Kundschaft ist auch schon gekommen«, fuhr der Bildhauer fort. »Und merkwürdigerweise war einer dabei, den ich in Moabit am allerwenigsten vermutet hätte: Ich mache eine Büste von unserem lieben Dr. Robert Ley!«
    Hilde sah erstaunt auf. »Ley?«
    »Ja. Unser saufendes Arbeitsfrontgenie! Irgendwie muß er erfahren haben, daß ich wieder eine Werkstatt habe. Da kam er angekeucht, spuckte mir das Atelier voll und verbreitete Alkoholfahnen um sich, daß man denken mußte, mein Atelier sei eine Schnapsbudike. Wir kennen uns von früher her, als ich in Köln-Marienburg mein Atelier hatte und noch der berühmte Borgas vom Rhein war. Damals kam er zu mir und wollte sich das Geld für einen Besuch der Kölner Oper leihen – heute hat er drei Rittergüter von je 300.000 Mark Einheitswert.«
    »Und er erkannte Sie wieder?«
    »Sofort! Er klopfte mir auf die Schulter und verlangte, ich solle eine Bronze von ihm machen – ein galantes Geschenk für eine Künstlerin, der er zur Zeit zu Füßen liegt.«
    »Ist Lev nicht verheiratet?«
    »Spielt das eine Rolle für unsere vorbildlichen Führer? Der eine ist scharf auf blaue Augen, der andere auf schlanke Tänzerinnenbeine. Noch vor wenigen Jahren saß Ley in einem kleinen Laboratorium in Leverkusen und durfte nur Flaschen schütteln. Als Chemiker war er eine Null. Dann gründete er eine Zeitung in Köln, ließ sich einige Messerstiche beibringen, mit Sektflaschen verprügeln und ab und zu auch im Klingelpütz – dem Kölner Gefängnis – einsperren. So wurde er ein Märtyrer der Nazibewegung. Oft kam er zu mir, um sich das Theater bezahlen zu lassen. So mußte ich ihm bald die Anzüge kaufen und bald die Unterwäsche. Aber wenn er mich bat, der Partei beizutreten,

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