Heimlich
des Badger Hotels, mit Haß auf den Vater ihres Liebhabers und stürmischer Liebe und Verachtung für ihren eigenen Vater bewaffnet.
Die Leute in der Stadt spürten, daß etwas passieren würde: Marcella DeVries, die Klassenbeste, war nicht in der Schule, sondern saß statt dessen in einem Plüschsessel und kochte still vor sich hin. Ihre gewöhnlich bleiche Haut flammte wie ihr rotes Haar, sie hatte ihre Hände verknotet und starrte durch das Spiegelglasfenster nach draußen auf die National Bank. Vor dem Hotel bildete sich eine Menschenmenge.
Willem tauchte um neun Uhr auf, als die Bank aufmachte. Marcella wartete, bis er seine Transaktionen getätigt hatte, dann ging sie über die Straße, um auf ihn zu warten. Er kam ein paar Minuten später zur Tür heraus und trug eine Papiertüte voller Geld. Als er Marcella erblickte, herrschte ängstliches Schweigen, dann stürzte sie sich auf ihn, warf die Papiertüte auf den Boden und verstreute deren Inhalt. Der April wind blies die Dollarscheine über die Hauptstraße, und die Menge sah voller Entsetzen zu, wie die vierzehnjährige Marcella DeVries Rache nahm. Sie boxte, kratzte, kickte und biß Willem Berglund und hieb ihn mit ihren Fäusten zu Boden. Sie zog die Whiskeyflasche aus seinem Gürtel und leerte ihm den Inhalt über den Kopf. Sie verfluchte ihn auf englisch, holländisch und deutsch, bis ihre versagte und ihre Wut nachließ.
Den schlimmsten Zorn hob sie sich für ihren Vater, ihre Mutter und ihren Liebhaber auf. Das waren auch Feiglinge, und es war schlimmer, weil sie sie liebte.
Marcella machte tabula rasa in jener Walpurgisnacht in Wisconsin; sie belehrte ihre sanfte Mutter, daß diese Farm nicht der richtige Ort für eine schwache Frau wäre, daß sie ausziehen sollte, so lange, bis ihr Vater stark genug sei, eine Frau wie sie zu schützen. Piet machte keine Anstalten, seine Tochter zu bremsen. So sehr er seine Frau auch liebte, er fürchtete sich vor dem rothaarigen Mädchen, das seine Züge trug.
Mai Hendenfelder-DeVries suchte in jener Nacht Zuflucht bei Freunden in Lake Geneva. Marcella gab auch ihrem Vater Anweisungen: Er sollte nicht mehr auf seiner Geige herumspielen und nicht mit dem Grammophon herummachen und nicht mehr lesen, bevor er sich nicht bei der Arbeit auf den Feldern verausgabte wie die billigen deutschen Arbeitskräfte, die er angeheuert hatte. Beschämt und erniedrigt zeigte Piet sich stumm einverstanden. Marcella tobte weiter: Er sollte Gott verleugnen und Jesus Christus und die Holländische Reformierte Kirche. Piet weigerte sich. Marcella tobte. Piet weigerte sich weiter, bis Marcella einfach und mit brutaler Bestimmtheit sagte: »Wenn du das nicht tust, wirst du Johnny oder mich nie wiedersehen.«
Schluchzend und aufs äußerste erniedrigt, gab er ihr nach.
Will hatte Marcella nicht geholfen, seinen Vater zu demütigen. Für Marcella war das der schlimmste Verrat.
Natürlich war es aus zwischen ihnen, von der goldenen Elite waren nur noch matte Bruchstücke übriggeblieben; aber das reichte Marcella nicht. Sie wollte noch mehr Rache - etwas, das ihre Verachtung für die ganze Familie Berglund und für ganz Tunnel City festigen würde.
Will und Marcella hatten sich jahrelang Liebesbriefe geschrieben, ausführlich und voller Anspielungen auf ihre Liebesspiele. Die Briefe troffen vor Verachtung für das schäbige Kleinstadtleben in Tunnel City. In diesen Briefen machten sie sich über die Geschlechtsteile prominenter Mitbürger lustig, die Lehrer der Tunnel City High School wurden als Hanswurste entlarvt, und Willem Berglund wurde bis ins böse Detail verspottet.
Marcella kostete die Briefe aus, die ihr schwächlicher Liebhaber ihr geschickt hatte. Sie dachte über die Möglichkeiten nach und entschloß sich, noch ein bißchen zu warten.
Der Kleinstadt-Tratsch ging weiter, da Willem redlich bemüht war, sich zu Tode zu trinken; Piet arbeitete Seite an Seite mit seinen Arbeitern, und Marcella und Will gingen zur Schule und sprachen nie mehr miteinander.
Marcella hatte ein neues Thema: ihren Bruder Johnny. Johnny war vierzehn, einsachtundneunzig groß und blond wie seine Mutter. Er war ein wilder, aber stiller Junge, der die Gesellschaft von Tieren bevorzugte und oft die außenliegenden Vorratskammern der benachbarten Farmen heimsuchte, um Rindfleisch und Schweinefleisch zu stehlen, das er dann den ungezählten herrenlosen Hunden und Katzen zum Fressen gab, die durch die Außenbezirke der Stadt streunten.
Ohne Liebhaber
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