Heimlich
mit einigen Leuten bekannt, die am Rande der Unterwelt von Los Angeles ihr Dasein fristen. Wir wollen Sie über diese Leute befragen. Unsere Methoden sind weitschweifig, aber sie funktionieren. Beantworten Sie nur unsere Fragen und ich versichere Ihnen, daß Ihnen nichts geschieht.«
Es war ein gezielt zweideutiger Hieb ins Dunkle, und er traf. Engels glaubte mir. Seine Gesichtszüge entspannten sich, und er spülte den Rest seines Drinks hinunter. Dudley goß ihm sofort nach, dieses Mal gut zwei Drittel Gin.
Eddie nahm noch zwei große Schlucke zu sich, und als er sprach, hatte er die Stimme erheblich gesenkt, fast klang sie wie ein Bariton. »Was wollen Sie wissen?«, fragte er.
»Erzählen Sie uns etwas von sich, mein Junge«, sagte Dudley.
»Was soll ich von mir erzählen?«
»Über Ihr Leben, mein Junge, Ihr Leben damals und heute.«
»Was meinen Sie denn Lieutenant?«
»Ich meine alles, mein Junge.«
Engels schien darüber nachzudenken. Er schien in seinem Gedächtnis zu kramen und schluckte Gin und Coke, um seine Gedankengänge zu beschleunigen.
Ich sah auf die Uhr. Es war 7.00 Uhr und wurde schon heiß in dem scheußlichen, kleinen Zimmer. Ich legte meine Jacke ab und rollte die Hemdsärmel hoch. Ich war müde; seit über 24 Stunden hatte ich nicht geschlafen. Als hätte er meine Gedanken erraten, schaltete Mike Breuning einen tragbaren Ventilator an und gab mir eine Tasse lauwarmen Kaffee. Dudley goß Engels noch einen Becher Gin ein.
»Deine Lebensgeschichte, mein Junge«, sagte er. »Wir sind alle richtig gespannt.«
»Mutter und Vater waren liebe Menschen«, begann Eddie. Er sprach in lautem Tenor, wie einer, der große Wahrheiten verkündet. »Sind sie immer noch, glaube ich. Ich stamme aus Seattle. Mutter und Vater sind in Deutschland geboren. Sie kamen vor dem Ersten Weltkrieg hierher. Sie -«
»Warst du ein glückliches Kind, Eddie?«, unterbrach Dudley.
Engels schlürfte den reinen, bitteren Gin. Sein Gesicht verzog sich. »Sicher doch, ich war ein glückliches Kind. Ein prima Junge. Ein toller Hecht. Ich hatte einen Hund. Ich hatte ein Baumhaus. Ich hatte ein Fahrrad. Dad war gut zu mir. Er hat mich nie geschlagen. Er war Apotheker. Er hat Ma oder mich nie zum Arzt geschickt. Er hat uns das, was wir brauchten, immer aus der Apotheke mitgebracht. Manchmal waren Drogen dabei. Mom hat welche genommen und hatte religiöse Wahnvorstellungen. Sie sagte, sie hätte gesehen, wie Jesus Miffy Gassi geführt hätte - das war der andere Hund, den wir hatten. Er wurde überfahren. Sie sagte, Miffy könnte reden und wollte, daß sie katholisch würde und auf dem Hundefriedhof vor der Stadt arbeiten sollte. Danach hat Dad ihr nichts mehr von dem Zeug gegeben; er haßte Katholiken. Dad war prima zu mir, aber prügelhart zu meiner Schwester Lillian. Er ließ sie nie ausgehen, immer strich er um das Blumengeschäft, in dem sie arbeitete, herum, um sicher zu gehen, daß keine Laffen versuchen würden, sich mit ihr zu verabreden. Dad war ein altmodischer Deutscher. Er haßte Schürzenjäger. Er wollte nicht, daß ich den Mädchen nachstieg, er wollte, daß ich eine deutsche Schnepfe heiratete und Pharmazie studierte.«
Engels hielt inne und schlürfte den Rest des Gins hinunter. Sein Körper zitterte und ich konnte sehen, daß er betrunken war. Er lächelte schräg, sein Gesicht glänzte vor Rührseligkeit. Dudley füllte ihm nach.
»Aber Sie wollten doch den Mädchen nachsteigen, stimmts Eddie?« sagte ich.
Engels lachte und trank Gin. »Stimmt«, nuschelte er, »und ich wollte aus dieser toten Scheißstadt Seattle raus. Nichts als Regen und tote Hunde und Apotheker und häßliche Miezen. Ha, ha, ha, häßlich! Wow! Ich hatte die schönsten Weiber, die Seattle zu bieten hatte, und die waren schlimmer als der letzte Dreck in Hollywood. Ha, ha, ha, häßlich!«
»Also sind Sie nach L.A. gezogen?« warf Mike dazwischen.
»Scheiße, nein! Die gottverdammten Japse bombardierten Pearl Harbour und ich wurde eingezogen. Marine. Dad sagte, in meiner Uniform sähe ich aus wie Donald Duck. Ich sagte, in seinem Kittel, den er in der Apotheke trug, sähe er aus wie Micky Maus. Er wollte nicht, daß ich wegging. Er wollte es so drehen, daß ich in Seattle bleiben konnte. Er wollte, daß sie mich ›aus schwerwiegenden Gründen‹ vom Dienst befreien würden, aber es funktionierte nicht. Aber Dad widerfuhr Gerechtigkeit. Sie machten mich zum Pillenmaat. Er nannte mich Doktor Duck.«
Eddie Engels schüttelte sich
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