Heimliche Hochzeit um Mitternacht (German Edition)
Kirchentür hinaus.
5. KAPITEL
Miranda bebte am ganzen Körper ob des Begehrens, das Marcus in ihr entfacht hatte. Indes war sie nicht glücklich darüber, sondern schockiert. Wie hatte er es wagen können, sie in dieser Weise zu küssen? Obendrein in einer Kirche, und vor dem Vikar! Und sie hatte seinen Kuss wie eine gewöhnliche Dirne erwidert. Wenn er sie mit seiner fordernden Zärtlichkeit auf die Probe hatte stellen wollen, um herauszufinden, wie erfahren sie in derlei Dingen war, dürfte sie seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt haben.
Übelkeit drohte sie zu übermannen, denn sie hatte seit Stunden nichts mehr gegessen. Wenn sie jetzt dem missbilligenden Blick der Pfarrersfrau begegnete, wäre es um sie geschehen, und sie würde sich auf dem blanken Marmorboden übergeben müssen.
Ihr Gemahl allerdings würde nicht hilfreich zur Stelle sein, denn er schickte sich gerade an, die Kapelle zu verlassen, wobei er sicheren Abstand zu seinem voranschreitenden Bruder wahrte. Vermutlich wollte er sich davon überzeugen, dass St. John den Weg zu den Ställen einschlug und das Anwesen verließ.
Sie straffte sich und wandte sich dem Vikar zu, an dessen Seite sich inzwischen Mrs. Winslow gesellt hatte. Miranda zwang sich zu lächeln. „Nun, ich muss Ihnen und Ihrer Gattin danken, Reverend, dass Sie sich so um meine Sicherheit und meinen guten Ruf gesorgt haben.“
„Hm. Natürlich sorgen wir uns nach wie vor um Sie, Euer Gnaden.“
Miranda benötigte einen Augenblick, ehe sie ihren neuen Titel verinnerlicht hatte. Sie war jetzt tatsächlich eine Duchess. „Nochmals vielen Dank. Ich bin sicher, dass es mir gut gehen wird.“
Der Vikar und seine Gemahlin blickten sie erwartungsvoll an. Miranda hatte gehofft, die beiden würden ihren wiederholten Dank als Hinweis darauf verstehen, dass sie sich nun empfehlen durften. Die Herrschaften machten indes keine Anstalten, ihr von der Seite zu weichen. Sie warten auf irgendetwas, überlegte sie, ohne eine Antwort zu finden. „Also …“, begann sie hilflos, wurde jedoch von Mrs. Winslow unterbrochen.
„Vielleicht haben wir nachher beim Hochzeitsfrühstück Gelegenheit, mit Ihrem Gemahl ein paar Worte zu wechseln, Euer Gnaden.“
„Oh, ja natürlich. Das Büfett.“ Miranda fragte sich, ob die Dienerschaft damit rechnete, dass nach der Trauung Gäste ins Haus kommen würden. Allerdings erweckte Marcus nicht gerade den Eindruck, als sei er in der Stimmung, eine Feier zu geben. Aber selbst wenn sie nicht mit Kuchen und Champagner aufwarten konnte, würde sie vielleicht ein Zimmermädchen auftreiben, das den Salon rasch für den Empfang von Mr. und Mrs. Winslow zurechtmachte. Die beiden dachten nicht daran, sich zu empfehlen. „Lassen Sie uns nachsehen, was die Dienstboten vorbereitet haben.“
Miranda begleitete den Vikar und seine Frau zum Herrenhaus und verbannte sie fürs Erste in das kleine Gesellschaftszimmer. Mit dem Versprechen, unverzüglich zurück zu sein, entschwand sie in die Halle, um nach Wilkins Ausschau zu halten.
Wenig später stand der Butler ebenso wankend und verwirrt vor ihr wie am Tag zuvor und sah sie an, als erinnere er sich nicht, mit wem er es zu tun hatte.
„Wilkins“, sagte sie streng, damit er sie überhaupt wahrnahm. „Machen Sie umgehend Seine Gnaden ausfindig. Er muss die Winslows verabschieden. Und ich möchte mit der Wirtschafterin über das Hochzeitsmahl sprechen.“
„Hochzeitsmahl“, wiederholte der Bedienstete erschrocken. „Sie werden die Wirtschafterin nicht antreffen, Miss, sie hat heute ihren freien Tag.“
Die Misere, in die sie geraten war, traf Miranda wie ein Blitz. Der Haushalt war in einem desolaten Zustand, der Duke stellte sich als ungesellig heraus und schien sich für das Durcheinander, das unter seinem Dach herrschte, nicht zu interessieren. Und nach einer zwanzigminütigen Litanei auswendig gelernter Formeln war sie nun verantwortlich für Haughleigh Grange.
„Wilkins“, fuhr sie ruhig fort, „Sie werden mich nicht länger mit ‚Miss‘ ansprechen. Nach der Trauung heute Vormittag heiße ich Miranda Radwell, Duchess of Haughleigh. Was die Wirtschafterin betrifft, so wird sie, wie es ihre Pflicht ist, für Ersatz gesorgt haben. Wer ist für den Haushalt verantwortlich, wenn sie nicht da ist?“
Wilkins sah sie nur ratlos an, was Miranda Antwort genug war.
„Also schön. Ich nehme an, dass sich niemand hier in der Pflicht fühlt. Darauf lässt der Zustand dieses Hauses ohne Weiteres schließen.
Weitere Kostenlose Bücher