Heimliche Hochzeit um Mitternacht (German Edition)
Geschwind erhob sie sich aus dem Bett, eilte zur Tür, um zu horchen, ob im Haus die gleiche Aufregung herrschte wie draußen, und straffte sich. Die Dienstboten schienen ohne Unterlass hin und her zu eilen – wohl in dem Versuch, den Eindruck von Geschäftigkeit zu erwecken.
War womöglich ein Feuer ausgebrochen? Sie wollte sich gerade ans Fenster begeben, als es klopfte.
„Euer Gnaden, sind Sie wach? Ich würde ja hereinkommen, aber die Tür ist versperrt. Es ist Zeit, dass Sie sich anziehen. Schnell, Seine Gnaden ist zurück.“
Gütiger Himmel!, ging es Miranda durch den Sinn. Er ist tatsächlich heimgekehrt. Als ahnte er, was gestern Nacht geschehen war. Rasch entriegelte sie die Tür, und Polly huschte ins Zimmer.
Ohne die übliche Sorgfalt walten zu lassen, half das Mädchen ihrer Herrin in das Morgenkleid und kämmte sie flüchtig. Als Miranda sich im Spiegel erblickte, hatte sie das Gefühl, dass sie schlimmer aussah als an dem Tag von Marcus’ Abreise. Das Kleid, welches bereits vor zwei Wochen in einem mitleiderregenden Zustand gewesen war, hing noch trauriger an ihr herab als zuvor. Nähte hatten sich zu lösen begonnen, und Polly hatte ihr Bestes gegeben, Bordüren sowie Bänder aufzusetzen, damit die zerschlissenen Stellen kaschiert waren. Zu Mirandas Verdruss mutete das Ergebnis jedoch nicht überzeugend an. Das Dekolleté saß jetzt viel enger und drückte unangenehm ihre Brüste zusammen.
Hastig fuhr sie sich durch die Locken und versuchte nicht daran zu denken, was St. John über den Geschmack seines Bruders angedeutet hatte.
Am verdrießlichsten war ihr zumute, als sie ihr Gesicht näher in Augenschein nahm. Sie sah müde aus, doch nicht bleich. Ihre Wangen zeigten die Röte einer sich schuldig fühlenden Frau, und sie wusste nicht, was sie dagegen tun sollte.
Sie verließ das Zimmer und schritt die Treppe hinunter, wobei sie versuchte, ruhig und selbstbewusst zu wirken.
Ihr Gemahl – wenn er noch ihr Gemahl war – stand in der Eingangshalle und wies seine Dienstboten in dem vertrauten gebieterischen Ton an, die zahlreichen Schachteln und Päckchen ins Haus zu tragen. Er ließ seinen Mantel von den Schultern in die Hände seines bereits wartenden Kammerdieners gleiten und straffte sich. Seine Stiefel waren beschmutzt von der langen Reise, doch sein Gehrock und die Breeches sahen tadellos aus. Er bot in jeder Hinsicht die Erscheinung eines weltläufigen Gentleman aus der Stadt, wohlhabend und aristokratisch. Als Miranda ihn vom Treppenabsatz aus betrachtete, verspürte sie unwillkürlich Stolz und Bewunderung ob der Tatsache, dass sie zu ihm gehörte.
Er blickte zu ihr hoch und unterbrach seine Ansprache an den Butler, um ihr dabei zuzusehen, wie sie die restlichen Stufen hinabstieg und auf ihn zuschritt. Während sein Blick auf ihr ruhte, wurde sie sich einmal mehr ihrer erbärmlichen Erscheinung gewahr. Ich sehe aus, als wäre ich nicht einmal gut genug, als Dienstmädchen in dem Haus zu arbeiten, in dem ich die Herrin bin, dachte sie beschämt.
Wenige Schritte vor ihm blieb sie stehen und machte einen Knicks. „Willkommen daheim, Euer Gnaden.“ Und wo warst du?, setzte sie in Gedanken hinzu.
„Es ist angenehm nach Hause zu kommen, wenn man von seiner Gemahlin so herzlich willkommen geheißen wird.“ Seine freundliche Miene verriet ihr, dass er sich tatsächlich freute, doch um seinen Mund lag ein seltsam schelmisches Lächeln. Er machte eine Geste in Richtung der Schachteln, die im Entree standen. „Wie es scheint, bin ich zur gleichen Zeit angekommen wie einige Einkäufe von Ihnen. Sie warteten bei der Umspannstelle auf die nächste Postkutsche, und da habe ich mich kurzerhand entschlossen, sie Ihnen mitzubringen. Haben Sie die vergangenen zwei Wochen dazu genutzt, mein Geld auszugeben?“
Miranda errötete. Dass sie – wenngleich unfreiwillig – genau das getan hatte, wollte sie ihm eigentlich nicht gleich als Erstes kundtun. Sie hatte gehofft, dass die neuen Tapeten angebracht und die Schandmale verdeckt sein würden, bevor er nach Hause kam. Männer bemerkten in den seltensten Fällen Neuerungen in vertrauter Umgebung, wenn die Veränderungen in ihrer Abwesenheit erfolgt waren. Die unüberschaubare Ansammlung von Kisten und Schachteln jedoch musste bei ihm unweigerlich den Eindruck erwecken, sie wäre verschwenderisch.
„Ich kann es Ihnen erklären“, beeilte sie sich zu verkünden.
„Dann wollen wir uns ins Arbeitszimmer zurückziehen.“
Er schritt voran und
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