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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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fragte Orlando. »Um eins bei ›Da Primo‹?«
     
    Ettore Orlando war auch im Berufsleben seiner Liebe zum Meer treu geblieben und immer dann am glücklichsten, wenn er von Zeit zu Zeit an Bord eines der schnellen Schiffe der Guardia Costiera stieg, mit einem sanften Schubs den Offizier vom Steuer drängte und dieses selbst in die Hand nahm. Er drückte dann, kaum daß sie die Hafenzone verlassen hatten, mit seiner rechten Pranke die Gashebel langsam bis zum Anschlag und freute sich, wenn sich der Schiffsrumpf mit zunehmender Geschwindigkeit aus dem Wasser hob und über die Wellen sprang, so heftig, daß er immer wieder hart aufschlug und alle anderen an Bord, die kein Steuer in der Hand hatten, an dem sie sich festhalten konnten, hofften, daß der Boß bald wieder zur Vernunft käme. Das aber konnte durchaus dauern. Orlando gebrach es weder an Selbstbewußtsein noch an Stimme, und er fing alsbald lautstark zu singen an. Je nachdem, welche Arie er gerade erwischte, dauerte sein Glücksgefühl entsprechend lange. Orlando brach dabei alle Gebote und Verbote, doch da er seine Leute mit sanfter, aber bestimmter Hand führte und versuchte, nie ungerecht zu sein, und schließlich von Strafe nicht viel hielt, genoß er hohes Ansehen und man nahm diese Verrücktheit hin.
    Der Seebär Orlando hatte seinem Freund beim Mittagessen einiges von der Untersuchung der Motoryacht zu berichten, die seine Leute von der Küste vor Santa Croce an die Mole der Capitaneria von Triest geschleppt hatten.
     
    Laura hatte einmal gesagt, daß Orlando die tiefste Stimme habe, die sie je gehört habe, sie erinnere sie an die Unterwelt, den Hades, als einer von dessen Eingängen die Mündung des unterirdischen Flusses Timavo ins Meer galt, ein paar Kilometer hinter Duino. Wo Diomedes und die Argonauten gelandet sein sollen auf ihrer Suche nach dem Goldenen Vlies und Antenor nach seiner Verbannung aus Troja, wenn Titus Livius und Vergil die Wahrheit sagten. Ganz in der Nähe hatten Laura und Proteo sich einst durch einen Zufall kennengelernt. Der junge, einzelgängerische Polizist hatte, neu in Triest, auf den vielen labyrinthischen Wegen zwischen der mediterranen Macchia des ehemaligen Parks, der zu Schloß Duino gehörte, seine Spaziergänge gemacht und versucht, seine Lebensperspektiven zu finden. Dreimal war er dabei einer jungen Frau begegnet, die wie er allein über die Pfade zwischen den Steineichen streifte und die ihm sehr gefiel. Ihre leuchtend grünen Augen, ihre großen Brüste und die üppige Haarpracht waren ihm gleich beim ersten Mal aufgefallen, doch außer einem schüchternen »buongiorno« hatte er kein Wort über die Lippen gebracht. Nach einigen Metern hatte er sich umgedreht, um ihr nachzuschauen, doch war sie längst verschwunden. Es war schließlich Laura gewesen, die irgendwann stehen blieb und zu ihm sagte, was für ein Zufall es doch sei, daß sie sich immer an fast genau derselben Stelle begegneten, sonst träfe sie nie jemanden an diesem Ort. Proteo tat so, als wäre ihm dies nicht aufgefallen, und stimmte ihr verlegen zu. Dann faßte er Mut und fragte, ob sie in Duino wohne.
    »Ja«, sagte Laura.
    »Ein schöner Platz hier«, sagte Proteo.
    »Mein Lieblingsort«, antwortete Laura. »Kennen Sie seine Geschichte?«
    Proteo schüttelte den Kopf, und Laura erzählte ihm, während sie ein Stück zusammen gingen, die Legende der »Cernizza«, nach der einst Hirsche, Wölfe und Menschen friedlich an diesem Ort zusammengelebt haben sollen. Aber Proteo war schon nicht mehr an Hirschen und Wölfen interessiert, sondern fragte sie unvermittelt, ob er sie wiedersehen dürfe.
    »Wir werden uns sicher hier wieder begegnen«, sagte Laura und ging ihres Wegs.
    Das Mädchen ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Er dachte während des Dienstes an sie und wenn er abends mit Freunden ausging. Doch erst nach vier Wochen traf er sie wieder und lud sie am Ende ihres Spaziergangs auf einen Kaffee ein. Danach begann für Proteo Laurenti sein »Inferno«, wie er es nannte. Sie telefonierten fast täglich miteinander, trafen sich oft, doch Laura hielt ihn an der langen Leine, ging auf seine Avancen nicht weiter ein, sagte, sie könne sich nicht binden, redete sich mit zuviel Arbeit heraus. Aber er konnte nicht von ihr lassen, blieb stur, und nur seiner Beharrlichkeit war es zu verdanken, daß er Laura schließlich doch überzeugen konnte, einen Polizisten zu heiraten, noch dazu einen, der Proteo hieß. Sie hatte zuerst über seinen Namen gelacht,

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