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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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zwischen den Autos durch, von den alten Zauseln gar nicht zu reden. Alte Säcke auf Motorrollern, Greise auf dem Weg zur Grube. Selbst wenn er die Sirene seines Dienstwagens einmal kurz aufheulen ließ, hatte das wenig Wirkung. Ohne die verschriebene Brille ist wohl auch das Hörgerät nicht zu finden.
    Laurenti fuhr nicht gern. Das war für ihn verschwendete Zeit, in der er nichts anderes tun konnte, als sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Manchmal blieb sein Wagen mehrere Tage unbenutzt auf dem reservierten Parkplatz oder sonst wo stehen, und wenn er ihn endlich wiedergefunden hatte, war er von einer dicken Staubschicht bedeckt, die auf einer Staubschicht lag, die wiederum … Er hatte den Wagen noch nie waschen lassen. Laurenti spielte oft mit dem Gedanken, den Dienstwagen gegen die Fahrbereitschaft einzutauschen. Aber auch das paßte ihm nicht, weil ihm grundsätzlich jede Minute des Wartens zu lang vorkam. Seine Assistentin zu bitten, sie möge einen Wagen anfordern, war ihm schon zuviel. Außerdem war er ein miserabler Beifahrer, was Laura manchmal zur Weißglut treiben konnte.
     
    Sein Mobiltelefon klingelte, als er hinter San Antonio die Via della Torre hinunterging, wo die Schwarzen standen und Gürtel, abenteuerlich aussehende Uhren, Feuerzeuge und Sonnenbrillen mit grünen oder roten Gläsern verkauften. Gab es ein Leben vor dem Mobiltelefon? Proteo Laurenti meldete sich und sah gleichzeitig auf die Armbanduhr. Es war 13 Uhr, und es waren nur noch wenige Schritte zu »Da Primo«.
    »Proteo, ich bin’s, Laura!« Endlich meldete sie sich. »Wo bist du?«
    »Ich bin mit Ettore zum Mittagessen verabredet. Hör mal, ich habe mehrfach versucht, dich zu erreichen. Weißt du eigentlich, daß deine Tochter sich zur Miss Triest bewirbt?«
    »Und warum regt dich das auf?« Laura kannte den Tonfall ihres Mannes gut.
    »Weil ich nicht will, daß meine Tochter aller Welt ihre Titten zeigt und ihren Arsch. Deswegen!«
    Laura wußte es also und hatte ihm nichts gesagt. »Ist es zuviel verlangt, daß man so etwas zuerst zusammen bespricht? Normalerweise redet die Familie Laurenti über solche Dinge«, maulte Proteo, »und verheimlicht nichts. Auch wenn es nicht auf Beifall stößt.«
    »Livia ist einundzwanzig, Proteo! Sie kann machen, was sie will! Du übertreibst wirklich.«
    »Überhaupt nicht! Ich habe nicht die geringste Lust, sie in den nächsten Wochen im ›Piccolo‹ oder wo auch immer ganzseitig halb nackt zu sehen. Hobby: ›Lesen und Sonnenbaden‹. Und dann im August schwingt sie vor all den Molchen im Scheinwerferlicht die Hüften, und die halbe Stadt holt sich einen runter!«
    »Proteo, bist du restlos übergeschnappt?«
    »Außerdem war sie letzte Nacht genauso wenig zu Hause wie dein Sohn!«
    »Proteo! Hör auf!« Jetzt hatte er wenigstens erreicht, daß auch Laura schlechte Laune hatte, geteiltes Leid, halbes Leid.
    »Du spinnst und du bist bösartig«, fügte sie hinzu. »Wir sprechen heute Abend darüber. Laß Ettore nicht länger warten.«
    Sie hatte eingehängt, bevor er protestieren konnte.
    Laurenti sah auf die Uhr und bemerkte, daß er wegen des Telefonats schon spät dran war. Aber er stand bereits in der Via Santa Caterina da Siena, nur wenige Meter vor dem Eingang zu »Da Primo«. Er steckte das Telefon in die Hosentasche und trat ein. Die Klimaanlage lief auf Hochtouren, so daß es mindestens fünfzehn Grad kühler war als draußen. Er schaute sich um, aber auch Ettore hatte sich offensichtlich verspätet. Laurenti entschied, einen Tisch im Freien zu suchen. So bliebe er wenigstens von diesem schrecklichen Apparat verschont, der einem ohnehin nur eine verstopfte Nase bescherte. Er konnte Klimaanlagen nicht ertragen. In Hotelzimmern hatte er sie schon mit dem Taschenmesser außer Betrieb gesetzt, wenn er sie partout nicht ausschalten konnte. Lieber schwitzte er sich große Flecken ins Hemd, auch wenn sie, nachdem sie getrocknet waren, weiße Salzränder im blauen Stoff hinterließen.
    Er traf sich mit Ettore öfters bei »Da Primo«, einem der guten Buffets, in dem die Triestiner zu Mittag aßen. Es war ein für die Stadt typisches Restaurant, in dem man darauf eingestellt war, die Gäste schnell zu bedienen, auf daß sie wieder pünktlich zur Arbeit zurückkehrten.
    Laurenti setzte sich, bestellte Wasser und einen halben Liter Tocai. Weil »Da Primo« so zentral lag, mußte er manchmal bekannten Gesichtern zuwinken, die eine oder andere Hand drücken und ein paar freundliche Worte wechseln

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