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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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weil es auch der Name der kleinen weißen Tierchen ohne Augen war, die nur in den unterirdischen Wasserläufen des adriatischen Karsts zu Hause sind. Proteos Eltern hatten ganz sicher nicht gewußt, daß es dieses Überbleibsel einer Gattung gab, die vor über achtzig Millionen Jahren die Welt bevölkerte.
     
    Assistente Capo Sgubin betrat nach vorsichtigem Anklopfen das Büro des Commissarios. Er sah abgespannt aus und war blaß, als hätte sich die Müdigkeit wie ein grauer Schleier über die gebräunte Haut gelegt.
    »Entschuldigung, Chef«, in seiner Rechten hielt er einen moosgrünen Aktendeckel, den er offensichtlich soeben erst angelegt und mit Sorgfalt beschriftet hatte.
    »Ah, Sgubin! Du siehst aus wie ein Leintuch. Wann schläfst du eigentlich? Trink einen Kaffee!« Laurenti zeigte auf einen Stuhl, und Sgubin setzte sich. Marietta kam bereits mit einer Tasse in der Hand herein.
    »Danke«, begann Sgubin. »Ich dachte, ich bringe Ihnen die Unterlagen kurz vorbei, den Bericht von heute früh. Viel mehr, als Sie selbst gesehen haben, war nicht zu finden, bis jetzt jedenfalls. Die Spurensicherung wird vielleicht noch etwas bringen und die Guardia Costiera, wenn sie sich das Schiff ordentlich vorgenommen haben. Außerdem wollte ich Ihnen noch berichten, daß ich bei Kopfersberg zu Hause war. Kein Vergnügen. Tatjana Drakic heißt seine Frau oder Lebensgefährtin oder was auch immer. Sie hatte noch geschlafen, als ich kam, und war ziemlich schlecht gelaunt. Kopfersberg hätte letzte Nacht zurückkommen sollen, er wurde gegen Mitternacht erwartet. Aber große Sorgen hat sich die Drakic nicht gerade gemacht. Er sei vor zwei Tagen abgefahren, sie habe nichts von ihm gehört, was normal sei, und meinte, er würde schon wieder auftauchen. Als ich sagte, es käme nur darauf an, in welchem Zustand, wurde sie ziemlich unfreundlich. Was das heißen solle! Ihr Mann habe schließlich keine Feinde, er sei ein ehrenwerter Bürger der Stadt, und wie ich mir überhaupt erlaube, mit solchen Vermutungen zu ihr zu kommen. Wobei sie nicht sagte, was für Vermutungen. Eigenartig. Sie warf mich dann ziemlich schnell raus. Übrigens waren da auch einige sehr junge und hübsche Mädchen. Während ich im Entree warten mußte, bis die Dame im Morgenmantel herunterkam, huschten sie oben über die Galerie und sahen nicht gerade wie Dienstmädchen aus. Schöne Dinger, wenn ich so sagen darf. Meine Uniform hat ihnen offensichtlich nicht gefallen, denn keine hat gegrüßt und keine hat einen Kaffee gebracht. Die Drakic nahm mich dann mit in den Salon, setzte sich und ließ mich stehen. Aber das sind wir ja gewohnt. Sehr schöne Frau übrigens. Auf jeden Fall war sie ziemlich unfreundlich und schien keineswegs besorgt, vordergründig zumindest. Aber irgend etwas stimmte nicht. Ich wär froh, Chef, wenn Sie selbst vorbeigehen und mit ihr sprechen würden. Sie hat mir weder gesagt, welchen Beruf Kopfersberg hat, noch wo sein Büro ist, noch ob er öfters verreist. Sie sagte lediglich, darüber gebe sie erst Auskunft, wenn was Konkretes vorliege. Und das war’s dann schon.«
    Laurenti hatte aufmerksam zugehört. »Wir wissen doch, daß man die Polizei nicht grundsätzlich liebt, Sgubin. Daß du dich immer noch von so etwas erschrecken läßt! Ist die Drakic von hier?«
    Sgubin stellte seine Kaffeetasse zurück und schüttelte den Kopf. »Ihre Personalien hab ich aufgenommen, obgleich sie darüber ziemlich verärgert war. Sie zeterte herum, gab aber schließlich nach und holte ihren Ausweis. Sie ist jung, dreiunddreißig, geboren in Ragusa, Kroatien. Aber ob sie Kroatin, Serbin oder sonst was ist, weiß ich nicht. Sie finden alles hier in der Akte. In Triest ist sie seit vier Jahren gemeldet, zuerst in San Giacomo, dann aber ziemlich bald bei Kopfersberg. Als Beruf gibt sie Kauffrau an, Arbeitsbewilligung und der Kram ist alles in Ordnung. Aber sie sieht nicht danach aus, als ginge sie jeden Tag arbeiten. Dafür war sie ja auch zu lange im Bett, wie gesagt, sie wurde wegen mir geweckt, und da war es schon halb neun. Ich habe übrigens doch noch herausbekommen, daß Kopfersberg sein Geschäft in der Via Roma an der Kreuzung mit der Via Mazzini hat. Eine Firma TIMOIC srl, Import-Export. Kopfersberg ist alleiniger Inhaber. Steht auch hier.«
    »Bravo, Sgubin«, lobte ihn Laurenti und klatschte zweimal trocken in die Hände. »Das ist schon ziemlich viel für die kurze Zeit. Ich schau’s mir an. Aber jetzt solltest du wirklich schlafen gehen.

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