Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod
keine Sorgen! Ich habe nur gesagt, daß er höchstens tot ist.«
Dieses Geschöpf blieb unergiebig. Das hatte Laurenti längst begriffen und verhehlte es nicht.
»Man macht darüber keine Scherze.« Sie bekreuzigte sich tatsächlich. »Ich muß es gleich den Kollegen erzählen.«
»Nicht so eilig, Signorina.« Laurenti wurde streng. »Wann kommt Doktor Drakic zurück?«
»Das hat er leider nicht gesagt.«
»Eine andere Frage: Sie sagten, sie arbeiten zu fünft hier. Wozu brauchen Sie eine so große Fläche?«
»Das habe ich mich auch schon gefragt«, gab Renata Benussi unumwunden zu.
»Renata!« Die Stimme einer Frau ertönte streng. Die Sekretärin drehte sich um, offensichtlich mit einer gehörigen Portion Respekt.
»Ja?«
»Was reden Sie da? Und mit wem?« Eine sehr gepflegte Frau von etwa Mitte Fünfzig, die noch immer auffallend attraktiv war, kam energischen Schrittes auf die beiden zu. »Renata, gehen Sie bitte in Ihr Büro.«
»Aber der Mann sagt, daß dem Chef etwas passiert sein soll«, protestierte sie.
»Ich habe gesagt, Sie sollen in Ihr Büro gehen«, wiederholte die Frau streng, und die verschüchterte Renata Benussi gehorchte. Laurenti war neugierig geworden, was passieren würde.
»Guten Tag, ich bin Eva Zurbano. Ich leite das Büro. Und wer sind Sie?«
Laurenti stellte sich vor.
»Tatjana Drakic hat uns bereits informiert«, antwortete Signora Zurbano distanziert. »Signor de Kopfersberg fuhr am Montag für einige Tage weg und wollte gestern Abend zurückkommen. Wir machen uns Sorgen. Wissen Sie etwas über seinen Verbleib?«
Laurenti schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht. Wohin wollte er fahren?«
»Er wollte einige Tage ausspannen. Er nimmt normalerweise seine Yacht, die ›Elisa‹, und fährt einfach los.« Eva Zurbano wandte sich um und schaute offensichtlich nach, ob Renata noch im Flur stand. Diese war in ein Büro auf der linken Seite gegangen, hatte die Tür jedoch offengelassen.
»Ich muß Ihnen einige Fragen stellen, wir schließen ein Gewaltverbrechen nicht aus. Hatte Kopfersberg irgendwelche Feinde?«
»Nein. Nicht daß ich wüßte.«
»In welchem Metier arbeiten Sie?«
»Spielt das eine Rolle?« Signora Zurbanos Blick verfinsterte sich. »Import-Export, wie Sie schon von Renata erfahren haben.«
»Welche Waren?« Laurenti hatte nicht vor, sich so leicht abspeisen zu lassen. Vor zweiundzwanzig Jahren hatte er bei seiner Untersuchung genauso wenig von diesem Geschäft begriffen wie heute.
»Alles mögliche! Frachtkontingente, Container und Handelswaren aller Art. Maschinen, Fahrzeuge und so weiter.«
»Von wo und nach wo?«
Die Zurbano zuckte mit den Schultern. »Von wo es von Triest aus günstig ist. Von Südost nach Nordwest und umgekehrt.«
»Was meinen Sie damit?«
»Israel, Türkei, Griechenland, Balkan, Frankreich, Belgien, Holland, Österreich, Deutschland, Schweiz. Aber was hat das mit dem Verschwinden von Signor de Kopfersberg zu tun?« Laurenti hatte verstanden, daß Eva Zurbano über die Geschäfte nicht weiter mit ihm reden wollte. Mit der Zeit würde er es schon erfahren.
»Hat de Kopfersberg Angehörige?«
»Er lebt mit Tatjana Drakic in seiner Villa in der Via dei Porta. Sein Sohn arbeitet in Wien. Spartaco de Kopfersberg. Aber soweit ich weiß, können Sie ihn zur Zeit nicht erreichen. Bruno sagte, er sei in die Ferien gefahren.«
Laurenti hörte sehr genau, wie Eva Zurbano ihren Chef vertraulich beim Vornamen nannte, und erinnerte sich an den eigenartigen Namen des Sohnes.
»Wie lange arbeiten Sie schon hier?«
»Eine Ewigkeit! Am zwölften September werden es fünfundzwanzig Jahre.«
Laurenti rechnete zurück, also seit 1974. Das bedeutete, daß er sie 1977 schon verhört haben mußte, doch erinnerte er sich nicht an Eva Zurbano und sie ganz offensichtlich nicht an ihn. »Sie leiten das Büro, sagten Sie. Ihre Sekretärin sagte aber, daß ein Herr Drakic Kopfersberg vertritt. Ist er übrigens mit Tatjana Drakic verwandt?«
»Renata redet viel! Doktor Drakic ist Prokurist, wie ich auch. Er ist aber erst seit vier Jahren bei uns. Im übrigen ist er Tatjanas Bruder.«
»Wo ist er jetzt? Ich hätte gerne mit ihm gesprochen!«
»Er hat einen Termin außerhalb, und ich kann Ihnen leider nicht sagen, wann er zurückkommt.«
»Ob Sie mir vielleicht das Büro von Signor de Kopfersberg zeigen würden?«
»Ganz ausgeschlossen!« Eva Zurbanos Stimme war entschieden. »Weshalb das denn?«
»Ich mache mir gerne ein Bild von den Menschen, die
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