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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Kopfersberg eintrat, Brunos Vater, der den Namen der Familie leicht italianisierte, indem er nach dem Ersten Weltkrieg aus dem »von« ein »de« machte. Seine Ehefrau Camilla nannte ihn Alberto. Sie stammte aus einer vermögenden italienischen Familie, in deren Unternehmen Joseph Albert eintrat, nachdem die »Südhandel AG« bankrott gegangen war. Camilla taufte ihren Sohn auf den Namen ihres Vaters und durchbrach damit die Josephs-Linie. Bruno war das späte und einzige Kind seines Vaters. Er wurde an dessen achtundfünfzigstem Geburtstag in Triest geboren, am 15. November 1943. Die Stadt war inzwischen von den Nazis besetzt und zur »Operationszone Adriatisches Küstenland« ausgerufen worden. Der SS-General Odilo Globocnik ließ Dörfer im Karst niederbrennen, in denen er Partisanen vermutete, und seine Mordkommandos waren für die Deportation der letzten noch in der Stadt verbliebenen Juden nach Auschwitz verantwortlich. Auch in der Risiera di San Sabba, dem einzigen deutschen Vernichtungslager auf italienischem Boden, verrichtete er sein blutiges Handwerk. Der Ofen wurde von den »Spezialisten« gebaut, die zuvor schon Treblinka errichtet hatten. Es hieß, Globocnik habe sich 1945 durch Selbstmord der Festnahme entzogen. Doch viel später erfuhr man, daß er seit 1955 in Kalifornien gelebt habe und dort 1977 gestorben sei.
    Joseph Albert de Kopfersberg wurde sehr schnell ein Mitglied der Mussolini-Partei und verdiente gut.
    Bruno de Kopfersberg verbrachte die ersten Lebensjahre in Triest und wurde später in ein Internat in Österreich geschickt, wo er Abitur machte. Danach schrieb er sich an der Wiener Universität bei den Juristen ein, schloß das Studium aber nicht ab, sondern kam mit vierundzwanzig Jahren bei einem der größten Schiffsmakler Österreichs unter und lernte sehr schnell, Frachtflächen für die internationalen Seewege an österreichische Unternehmen zu verkaufen. Ob Donauschiffahrt oder Adria, Bruno de Kopfersberg verfügte schon bald über ausgezeichnete Kontakte in diesem Geschäft, das vorwiegend telefonisch und telegrafisch abgewickelt wurde. 1971 zog er mit seiner hochschwangeren Frau Elisa, die er in Wien geheiratet hatte, zurück nach Triest und machte sich mit der Firma TIMOIC als Schiffsagent und im Import-Export-Gewerbe selbstständig.
    Am 14. September 1977 meldete Bruno de Kopfersberg seine Frau bei der Polizia Marittima als vermißt. Sie seien mit der Yacht hinausgefahren und hätten vor der Costa dei Barbari geankert. Elisa sei schwimmen gegangen, habe plötzlich panisch geschrien, sei untergegangen und nicht mehr aufgetaucht. So einfach. Er könne nicht mit Bestimmtheit sagen, daß es der Hai gewesen sei, obwohl er noch lange gesucht habe. Die Küstenwache setzte die Suche fort. Sein Sohn Spartaco war damals sechs Jahre alt und in der Obhut zweier Freundinnen Elisas. Der Fall wurde untersucht, Bruno mehrfach verhört und die kleine Motoryacht, sein erstes eigenes Boot, um- und umgedreht, doch schließlich wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt.
    Es war der erste Fall gewesen, den Laurenti selbstständig bearbeiten durfte, und er war gnadenlos an ihm gescheitert. Laurenti war fest davon überzeugt, daß Bruno de Kopfersberg log, doch war es ihm nicht gelungen, auch nur den kleinsten Beweis zu finden. Indizien hatte er ohne Ende. Proteo Laurenti war damals erst zwei Jahre in der Stadt. Nach Abschluß der Polizeischule in Cesena hatte man ihn zuerst nach Cremona geschickt, danach in Vicenza eingesetzt. Seine Zeugnisse waren glänzend, und sein damaliger oberster Vorgesetzter war ihm wohlgesonnen und hatte seine Bewerbung zur Kriminalpolizei unterstützt.
    Nach zweiundzwanzig Jahren also endete vermutlich auch Bruno de Kopfersberg auf hoher See, der Mann, den er damals verdächtigt hatte. War er ermordet worden? Würde man diesmal einen Mörder verurteilen? Diese Koinzidenz ließ ihn nicht los. Er zwang sich in die Gegenwart zurück und trat aus dem Caffé wieder auf die Straße hinaus, in den harten Kontrast von Sonnenlicht und Schatten, den die hohen Häuser warfen.
     
    Es war bereits 15.30 Uhr, als auch sein Mobiltelefon ihm klarmachte, daß er wieder in der Gegenwart angekommen war. Er sah im Display, daß der Anruf aus seinem Vorzimmer kam.
    »Was gibt’s, Marietta?«
    »Ciao, Proteo. Um achtzehn Uhr ist eine Sitzung beim Questore wegen der Illegalen. Es wurde soeben durchgegeben.«
    »Mit wem?«
    »Festbeleuchtung!« Das hieß, daß die Leiter aller Polizeiabteilungen

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