Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod
tun?«
»Wo?«
»Das weiß ich nicht so genau, ich hatte sie auf der Viale abgestellt.«
»Wann?« Vater Laurenti runzelte besorgt die Stirn.
»Spät. Nach eins.«
»Hast du die Papiere?«
»Ja.«
»Nimm sie und geh zu den Vigili Urbani, zum diensthabenden Beamten, und gib eine Diebstahlsanzeige auf. Mach ganz genaue Angaben. Dann fotokopierst du den Durchschlag, den er dir gibt, und gehst zur Versicherung. Frag nach Piero Molina, der hat alle unsere Unterlagen. Erzähl ihm den Vorgang und gib ihm das Formular, das du auf der Questura erhalten hast. Und frag ihn, wie lange die Versicherung braucht, bis sie bezahlt.«
Auf der anderen Seite herrschte Stille. Marco sagte nichts.
»Marco? Marco, bist du noch dran?«
»Ja, Papà«, antwortete er kleinlaut.
»Marco, was ist?«
»Es gibt ein Problem. Ich habe vergessen, die Versicherung zu bezahlen.«
»Du machst Witze!« Laurenti erschrak. »Wie lange ist sie schon fällig?«
»Sechs Wochen«, gab Marco kleinlaut zu.
»Sag, daß das nicht wahr ist. Der Sohn des Commissario Laurenti fährt fast zwei Monate unversichert und wie ein Geisteskranker durch die Stadt! Warum hast du sie nicht bezahlt?«
»Ich hab’s vergessen. Hatte zu viel anderes am Hals, Papà.«
»Zuviel anderes?« Laurenti war sauer. »Du hast Ferien, Marco. Gehst jeden Tag ans Meer, ziehst mit deinen Freunden durch die Stadt und kommst, wenn überhaupt, erst spät in der Nacht nach Hause.«
»Ja, ich weiß, aber ich hab’s eben vergessen, verdammt. Was soll ich jetzt tun?«
»Du machst, was ich gesagt habe. Und wenn die Versicherung nicht bezahlt, dann gehst du eben künftig zu Fuß. Ich kauf dir keinen mehr.«
»Oma hat mir den geschenkt.«
»Ja, ich weiß. Aber auch Oma wirst du kaum ein zweites Mal überreden können. Gib mir bitte mal deine Mutter!«
»Sie ist ausgegangen.«
»Wohin?«
»Sie trifft sich mit der Massotti. Irgendwas in der Via dei Porta.«
»Marco, du gehst jetzt gleich los und machst, was ich dir gesagt habe. Wir reden heute Abend darüber. Vielleicht bist du ja ausnahmsweise zum Essen mal zu Hause.«
»Hast du den ›Mercatino‹ heute schon gelesen, Papà?«
»Nein! Warum?«
»Da ist ein Interview mit Livia drin. Und Fotos. Ziemlich gut.«
»Marco, wie hast du gestern Abend abgestimmt?«
»Abgestimmt?« wundert sich Marco.
»Ja. Beim Abendessen. Laura behauptet, ihr hättet einen einstimmigen Beschluß gefällt.«
»Ach so, das. Da war ich gerade auf der Toilette. Ist doch egal.«
»Und was steht im ›Mercatino‹?«
»Kauf ihn dir halt, das mußt du selbst lesen.«
Eine Familie, dachte Laurenti, ist etwas Schönes. Meistens.
Dann wählte er die Nummer von Ettore Orlando.
»Es gibt zwei Nachrichten für dich, Proteo!« Der Capitano der Capitaneria hatte endlich die weiteren Untersuchungsergebnisse auf dem Tisch. Es gab eine Antwort auf die Anfragen bei den adriatischen Hafenbehörden, ob die Ferretti 57 seit vergangenem Montag in einem anderen italienischen Hafen registriert worden war. Außerdem hatte der Erkennungsdienst seine Arbeit beendet.
»Kopfersberg war in Rimini«, berichtete Orlando. »Er lief Dienstag Nachmittag dort ein, übrigens von außerhalb des Hoheitsgebietes. Er hat sich ordnungsgemäß angemeldet und ist Mittwoch Abend kurz vor neunzehn Uhr wieder ausgelaufen.«
»Rimini?« Laurenti war erstaunt. »Was hat einer mit einem solchen Schiff in Rimini zu suchen? Ich dachte, die Leute mit Geld meiden diese Ecke.«
»Hör, was ich dir noch zu sagen habe. Am Autopilot und an der Steuereinheit des Kranauslegers wurden die Fingerabdrücke abgewischt, an denen sonst kein Mangel herrscht. Ist ja kein Wunder bei einem Schiff dieser Größe. Achtzehn Personen sind zugelassen. Aber an zwei Stellen sind die Abdrücke unkenntlich gemacht worden. Unsere Annahme, daß er auf hoher See Besuch hatte, trifft offenbar zu.« Orlando machte eine kurze Pause. »Du erinnerst dich«, fuhr er fort, »als die Yacht gefunden wurde, war das Tau von der Seilwinde abgewickelt. Es ist ein dünnes Stahlseil, hundertfünfzig Fuß lang, mit zwei Tonnen belastbar. An seinem Ende war eine Schlinge. Die Spezialisten haben Zentimeter für Zentimeter untersucht. An den letzten zwei Metern des Taus wurden einige Hautpartikel gefunden, die noch untersucht werden müssen.«
»Wann liegen die Ergebnisse vor?«
»Zuerst brauchen wir Vergleichsmaterial. Das wird gerade besorgt.«
»Wo?«
»Bei Kopfersberg zu Hause.«
»Na, viel Glück. Ich war heute früh schon
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