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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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nähern.«
    Marco trank genüßlich einen Schluck Saft.
    »Und? Bist du jetzt fertig?« fragte Laurenti bemüht. »Was hat das mit dem Motorroller zu tun?«
    »Na ja, ganz einfach. Wenn du schon so heißt, dann solltest du weniger mit mir schimpfen, finde ich, und mich statt dessen beschützen«, antwortete Marco.
    Noch bevor Proteo eine gute Antwort einfiel, die seine Autorität wiederhergestellt hätte, läutete das Telefon. Laurenti wurde nach Montebello gerufen, ein Mordfall. Was zum Teufel war auf einmal los in Triest? Mörder und Haie störten ganz ungemein. Der ruhige Samstag war vorbei.
    Bevor er aufbrach, mußte noch einiges geklärt werden: Seine Mutter kam mit dem Zug um zwölf Uhr drei am Bahnhof an, man mußte sie abholen. Sie war die ganze Nacht unterwegs gewesen, und dies nicht sehr bequem, weil sie den reservierten Nachtzug, der ab Neapel ohne Umsteigen durchfuhr und in dem ein Schlafwagenabteil für sie reserviert war, verpaßt hatte. Marco erklärte sich bereit, die alte Dame abzuholen, wenn sein Vater bis dahin nicht wieder zurück war. Aber er käme auch sonst gerne mit. Laurenti wunderte sich über soviel unerwartete Hilfsbereitschaft seines Sohnes, der seinen Groll schon verwunden hatte und wohl darauf hoffte, doch früher an die Schlüssel seines Motorrollers zu kommen, ohne den ein Junge seines Alters ausgerechnet im Sommer natürlich restlos aufgeschmissen war.
     
    Laurenti kam aber immer noch nicht aus dem Haus. Das Telefon klingelte noch einmal, und diesmal mußte er mit einem Mann reden, dem er immer aus dem Wege ging, weil er ihn nicht ausstehen konnte. »Ich verbinde mit Dottor Cardotta«, vermeldete eine weibliche Stimme, »er möchte Sie dringend sprechen!« Dann die Stille in der Leitung, die von Wichtigtuern genau bemessen wurde. Diese schwarze Stille dauerte gewiß zwei Minuten. Proteo Laurenti empfand die Warterei als besonders unhöflich, erst recht am Samstag morgen, außerdem mußte er nach Montebello. Er knallte den Hörer auf. Gleich darauf klingelte der Apparat erneut, und die weibliche Stimme sagte mit mißbilligendem Tonfall, daß sie es jetzt nochmals versuchen wolle und er bitte in der Leitung bleiben möge. Es dauerte wieder einen längeren Moment, aber deutlich kürzer als beim ersten Versuch.
    Als Cardotta sich schließlich meldete, verhielt er sich, als hätte Laurenti ihn angerufen. Als erlaubte sich der kleine Polizist, die wertvolle Zeit des Politikers in Anspruch zu nehmen.
    »Si?«
    »Laurenti«, sagte Proteo barsch.
    »Commissario, haben Sie Signor de Kopfersberg gefunden?«
    »Nein, Dottore.« Laurenti wußte bisher nicht, daß es eine Verbindung zwischen den beiden gab.
    »Warum nicht? Es ist schon einige Zeit her, daß er vermißt wird … Commissario.« Cardotta machte eine Pause vor dem »Commissario«. Es war unpopulär geworden, andere mit der Berufsbezeichnung anzureden, außer man wollte Respekt ausdrücken oder den anderen daran erinnern, wie er zu funktionieren habe.
    Laurenti war überrascht und spürte, wie seine gute Laune wich, aber er beherrschte sich. »Man hat ihn noch nicht gefunden!«
    »Warum geschieht denn nichts?« Entweder lernte man einen solchen Tonfall auf einer Management-Schule, oder diese Menschen hatten ihn während ihrer eigenen Karriere einmal selbst zu spüren bekommen und nachher, sobald sie der Macht näher kamen, einfach übernommen.
    »Wer sagt denn, daß nichts geschieht?« fragte Laurenti zurück. »Man wird ihn finden. Mit der Zeit tauchen fast alle auf!«
    »Ich möchte genau wissen, was Sie unternehmen!«
    Wer eigentlich glaubte Cardotta zu sein. Er hatte dem Commissario rein gar nichts zu befehlen.
    »Das Meer ist groß und tief«, antwortete Laurenti pathetisch und machte eine kleine Pause, bis er »Dottore« anfügte. »Wir tun unser möglichstes.«
    »Signor de Kopfersberg ist ein angesehener Bürger und sehr wichtig für diese Stadt, Commissario! Insbesondere jetzt, da die humanitäre Hilfe für die Türkei über Triest erledigt wird. Sie müssen ihn schnell finden. Wir verlassen uns auf Sie.«
    Der Parteivorsitzende hatte den Ton gewechselt, Laurentis Strategie tat ihre Wirkung. »Immer in Bewegung bleiben«, hatte er früher neue Beamten zu deren Dienstantritt belehrt, »sich nie auf einen Stellungskrieg einlassen und selbst nie ein festes Ziel abgeben. Immer Situationen schaffen, aus denen man auch wieder rauskommt. Das ist das A und O von allem. Neben der Selbstverständlichkeit, daß man nie die

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