Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
Vom Netzwerk:
Freundlichkeit verliert.« Daran erinnerte er sich in diesem Moment und wurde wieder gelassener. Das Duell hatte er vorerst gewonnen.
    »Selbstverständlich, Dottore«, heuchelte Laurenti. »Wir halten Sie auf dem laufenden.«
    »Arrivederci, Commissario«, sagte Cardotta mit finsterer Stimme und legte den Hörer auf, bevor Laurenti den Gruß erwidern konnte.
    Proteo Laurenti war sich sicher, daß Cardotta beim nächsten Abendessen mit dem Polizeipräsidenten auf den Fall zurückkommen würde. »Sagen Sie, Questore«, würde er vielleicht sagen, »dieser Laurenti hat zwar einen guten Ruf, aber halten Sie wirklich so viel von ihm? Ich meine, wird er nicht ein bißchen überschätzt?«
    Viel wichtiger aber war: Warum hatte Cardotta angerufen, am Samstag morgen? War er ein Freund des Österreichers? Daß dieser ein, wie Cardotta sich ausgedrückt hatte, »angesehener Bürger unserer Stadt« war, hörte Laurenti zum ersten Mal. Zumindest hatte er nun erfahren, daß Kopfersberg einflußreiche Freunde hatte.
    10.20 Uhr
    Von der Via Diaz nach Montebello ist es weit. Und steil. Der Motorroller seines Sohnes quälte sich die engen Straßen hinauf. In Anbetracht der Eile, in der er sich wegen des Anrufs von Cardotta befand, hatte er heimlich die Schlüssel des Motorrollers seines Sohnes in die Tasche gesteckt. Seinen Wagen mußte er wieder einmal vor dem Büro vergessen haben. Die Tankanzeige machte Laurenti allerdings Sorgen.
     
    Die Via del Castelliere begann an einem unbebauten Steilhang, erst weiter oben folgten in weiten Abständen einige zweigeschossige Häuser mit großen Grundstücken. Als Laurenti endlich durch die Unterführung unter den Betonstelzen der Nuova Sopraelevata gefahren war, sah er schon von weitem die Streifenwagen und die anderen Fahrzeuge. Er stellte die Vespa an den Straßenrand, nahm Anlauf und erklomm die Böschung links der Straße, nach der der Hang etwas weniger steil anstieg. Es war verdammt heiß hier oben, und auf diesem Sonnenhang tummelte sich ganz sicher einiges an giftigem Viehzeugs. Laurenti war barfuß in seinen Halbschuhen und beruhigte sich damit, daß das Aufgebot an Beamten so viel Unruhe verursacht haben mußte, daß Schlangen vermutlich längst das Weite gesucht hatten.
    Die uniformierten Beamten salutierten, als er sie erreichte, die anderen murmelten ein verhaltenes »Buongiorno«. Auch Sgubin war da, dem er die Hand gab.
    »Salve, Sgubin! Ich dachte, du hast frei.«
    »Dachte ich auch, aber einer hat sich krank gemeldet, und da hat man sich freundlicherweise wieder einmal des braven Sgubin besonnen. Es ist dort, hinter dem Gebüsch.« Laurenti hatte das rotweiße Plastikband zur Absperrung und die Schilder mit den Nummern zur Markierung des Fundortes gesehen. Bevor er weiterging, drehte er sich um. Es war keine fünfzig Meter von der Straße weg, doch die war nachts kaum befahren.
    »Danke, Sgubin. Was weiß man?« Er ging voraus, und der Assistente Capo folgte ihm.
    »Nichts, bis jetzt. Sieht scheußlich aus, ich muß Sie warnen. Die Hälfte des Schädels fehlt. Er hält die Beretta noch in der Hand. Sieht nach Selbstmord aus«, sagte Sgubin mit ruhiger Stimme.
    »Papiere?«
    »Keine. Nichts, was ihn identifizieren könnte.«
    »Wer hat ihn gefunden?«
    »Der Alte da mit dem Hund.« Sgubin zeigte auf einen kleinen, kahlköpfigen Mann von etwa siebzig Jahren mit einem gelbbraunen deutschen Schäferhund mit räudigem Fell, der ebenfalls seine Jahre auf dem Buckel hatte. Der Mann sah, daß man über ihn sprach, und nickte aus der Entfernung den beiden Polizisten zu.
    »Er hat wie jeden Morgen einen Spaziergang mit seinem Köter gemacht«, fuhr Sgubin fort. »Das Tier hat ihn gefunden.«
    Sie waren hinter dem Gestrüpp angekommen. Die übliche schwarze Plastikfolie bedeckte die Leiche, deren Umriß mit weißem Kreidepulver ins hohe trockene Gras gezeichnet war. Polizisten durchkämmten weiter oben den Hang mit Stöcken, die sie vor den giftigen Vipern schützen sollten. Laurenti beugte sich nieder und hob die Folie an. Er blickte in ein Gesicht, dessen rechte Hälfte unkenntlich war. Es war leicht zu sehen, wo der Hund sich am heraushängenden Hirn gelabt hatte. Die andere Hälfte war unversehrt, das Auge stand offen. Es war ein junger Mann von etwa fünfundzwanzig Jahren. Das Auge. Laurenti durchfuhr es wie ein Blitz.
    »Den kenne ich!« Die Polizisten schauten ihn erstaunt an. Er betrachtete den Toten noch einen Moment, ließ den Zipfel der Folie fallen und wandte sich

Weitere Kostenlose Bücher