Heinrich Mueller 01 - Salztraenen
Tisch und alles drum herum peinlich sauber halten können, sonst haben wir bald den Schimmel in der Produktion drin.«
Dann erhob er sich, machte die notwendigen zwei Schritte zum Schrank hin und entnahm ihm eine Flasche Gebranntes. Er schüttete jedem einen kräftigen Schluck von der glasklaren Flüssigkeit in eine Tasse. Dann wies er auf das Etikett, schnalzte mit der Zunge und sagte: »Eine Spezialität, hergestellt aus blauen Kartoffeln.«
Schließlich erhob er die Tasse und sagte: »Ich heiße Werner.«
»So einen Vacherin kannst du verkaufen?«, fragte Heiri, dem das Du noch schwer über die Lippen kam. Nicole schien diese Verbrüderung schon eher gewohnt zu sein. »Sonst heißt es doch immer: Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht.«
»Nun«, druckste Eichenberger herum, »wir probieren es in diesem Jahr zum ersten Mal.«
»Erzähl ihnen von Moloko «, meinte seine Frau in einem verbitterten Ton, und es war das Einzige, was sie an diesem Morgen sagte. Man meinte, sie verstecke sich hinter einer dicken Brille und dem geblümten Tagesrock. Der leichte Damenbart über schmalen, blutleeren Lippen lenkte von den feinen Fingern ab, die an einer Decke für den Fernsehapparat häkelten.
»Man hat uns den Vertrag gekündigt.«
»Wann?«
»Im letzten Winter. Bis zum Frühjahr konnten wir liefern, zwei Laib Emmentaler pro Tag zu sieben Franken das Kilo. Dann war Schluss. Ausgerechnet, als die Kühe gekalbt hatten, wieder ins Gras kamen und mehr Milch gaben. Einige Bauern sind daraufhin aus der Käsereigenossenschaft ausgetreten und zur Konkurrenz gegangen. Die produzieren jetzt Konsummilch, da müssen sie bei der Fütterung nicht groß aufpassen und können Silofutter verwenden. Deshalb haben sie ein paar Hochleistungskühe dazugekauft. Diese Bauern pasteurisieren jetzt auf dem Hof, und alle drei Tage holt ein Lastwagen die Milch. Im Sommer gab’s erst noch mehr Geld, weil die Nachfrage nach Eiscreme bei dem heißen Wetter so groß war.«
»Wie produzieren die anderen?«, wollte Müller wissen, dem das Bauernleben ziemlich fremd war.
»Die bringen die Milch am Abend und am Morgen hierher. Sie dürfen kein Silofutter verwenden, die Milch wird nicht pasteurisiert, das ergibt den einzigen Emmentaler, den man lagern kann. Sonst hätten wir nur gummiartigen Jungkäse, wie ihn die Italiener zu einem Drittel des hiesigen Preises produzieren. Aber für den neuen Käse, der noch einen Namen braucht, können wir auch pasteurisierte Milch verwenden, weil er nur ein bis zwei Monate reifen muss.«
»Reicht denn die Milch für beides?«, fragte Nicole.
»Nein. Sie reicht jetzt schon nur noch knapp für die beiden Emmentaler-Laibe. Im Winter wird es weniger Milch geben, da muss ich sowieso eine andere Verwertung suchen.«
»Was machst du mit den Emmentalern, seit der Vertrag ausgelaufen ist?«
»Kommt mit. Ich will euch etwas zeigen.«
Er führte Nicole und Heiri aus dem Haus hinaus über den Wendeplatz auf die andere Seite des Grabens, der an dieser Stelle keine zehn Meter breit war. Dort war eine Tür in den Fels eingelassen, die Werner nun mit einem altmodischen Bartschlüssel öffnete. Ein Scheinwerfer aus den Fünfzigerjahren flammte auf und erhellte eine Sandsteingrotte von etwa zwölf Metern Tiefe und einer Breite von fünf Metern. Auf beiden Seiten erhoben sich der Länge nach Gestelle, die zur Hälfte mit den riesigen Käselaiben gefüllt waren.
»Das Militär hat die Höhle vor dem Krieg gegraben«, erklärte Eichenberger, »und hier Material untergestellt. Vor zehn Jahren hat die Armee viele Bunker und Festungen in den Alpen aufgegeben. Es gibt noch einige davon gerade hier in den Hügeln Richtung Süden. Diesen Raum haben sie nur zur Verfügung gestellt, da er sowieso auf dem Gelände der Käsereigenossenschaft liegt. Ich wusste zuerst nicht, was ich damit machen sollte. Aber als die Kündigung von Moloko kam, habe ich das Gewölbe mit Spritzbeton gesichert und die Gestelle eingebaut. Ich habe einen der beiden täglich produzierten Laibe hier eingelagert. Die ersten liegen nun ein halbes Jahr und haben bereits eine schöne dunkle Patina. Die jüngeren sind noch grau. Sie bekommen erst nach etwa sechs Monaten die schwärzliche Färbung. Moloko hat mit diesem Konzept Erfolg gehabt, also warum soll das hier nicht klappen? In drei Monaten wissen wir mehr, dann sind die ersten Käse ein Jahr alt und genussreif. Aber ich bin zuversichtlich.«
»Ich versteh nicht ganz«, sagte Heiri, »was der Vorteil der
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