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Heinrich Mueller 01 - Salztraenen

Heinrich Mueller 01 - Salztraenen

Titel: Heinrich Mueller 01 - Salztraenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Lascaux
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die beiden Brüder Fritz und Ernst Bär, »aber nicht vom selben Hof«, wie er sogleich betonte.
    »Warum nicht gar Selbstmord?«, fragte Fritz, und Ernst doppelte nach: »Hat er den Käser gefragt, wie es seiner Frau geht?«
    »Nein«, sagte Müller. »Aber ich könnte mich bei den Herren hier am Tisch erkundigen. In diesem Tal bleibt offensichtlich nichts geheim.«
    Für einen Augenblick wurde es still in der Stube, sogar der Rauch besann sich, ob er weiter Richtung Decke steigen sollte. Dann setzte umso größerer Lärm ein, Gläser klirrten, Stimmen überschlugen sich beinahe, jeder hatte seinem Nachbarn etwas mitzuteilen, die Jasser klopften ihre Karten hart auf den Teppich. Es war, als wollte nachher jeder sagen können, er habe nichts gehört.
    Es fiel aber nur ein einziger Satz.
    »Ursula Eichenberger war die Geliebte von Bähler Hans.«
    Es war, als ob sein Kopf sieb ausdehne wie die Flügel einer Henne, wenn sie auf einem Dutzend Eier sitzt und brütet, und seine Seele brütete wirklich auch, aber nicht über Eiern, sondern über Gedanken.
    »Das wäre eine zu simple Lösung des Falles, wenn der Käser aus Eifersucht den Einwäger getötet hätte«, sagte Henry am späten Abend, als sich die Gaststube geleert hatte, zu Nicole, die sich nach dem Aufräumen zu ihm setzte.
    »Lass uns morgen weiter darüber sprechen«, seufzte sie. »Mir gehen die Leute manchmal auf die Nerven, reden immer in Andeutungen, wollen nie diejenigen sein, die für etwas gerade stehen müssen. Sie sagen: Ich bedaure es nicht, hergekommen zu sein , lange bevor sie sagen: Ich bin glücklich, hier zu sein.«
    Henry lächelte. Irgendwie erkannte er sich auch selber wieder.
    Nicole, auf dem Weg zur Verwandlung in Lucy, fuhr fort: »Das Essen schmeckt nie gut, es war in Ordnung, es isch rächt gsii. Menschen sind nie Freunde, es sind immer nur Bekannte. Man ist nie laut, aber an anderen Völkern bewundert man die so genannte Lebensfreude. Die meisten verwechseln sie schlicht und einfach mit Lärm: Kreischen, Brüllen, Musik hören, um noch lauter zu reden – denn eigentlich will kein Mensch Musik hören – Hupen, Motoren aufheulen lassen. Alles lächerlich und geschmacklos. Und dann nennen sie diese Dauerbelästigung auch noch Ferienl«
    Nun wäre es aber doch an der Zeit gewesen für Henry, sich von diesem Durchschnittsmenschenbild zu distanzieren. Aber irgendwie schaffte er es nicht, denn Lucy fuhr ungebremst fort: »Die Schweizer entwickeln sich immer mehr zu einem selbstgerechten, wehleidigen, vergnügungssüchtigen Volk, lernunwillig und gelangweilt, das ungerecht urteilt, wenn es nicht laufend unterhalten wird.
    Hauptsache Motorroller, Hauptsache neueste Elektronik zu Hause, Hauptsache Zweitauto und Häuschen im Grünen, Hauptsache Direktzahlungen für die Landwirtschaft. Aber dann werden die Rehkitze niedergemäht, die Roller frisiert, der Rasen vor dem Häuschen zu Tode gedüngt. Und schließlich erklären wir der Welt, wie sie sich zu verhalten hat: Regenwald schützen, keine Wale fressen, orientiert euch an unserer Demokratie. Heuchler!«
    Müller erkannte, dass heute der Tag der großen Reden war. Und er überlegte, das nächste Mal müsse er selber einen so überzeugenden Vortrag halten.
    »Jede Freundlichkeit entsteht aus Berechnung, jede Zuneigung aus Angst vor der Langeweile und der Einsamkeit. Zuverlässig ist einer, der eine Strafe abwenden will, pünktlich derjenige, der die Missachtung seiner Person fürchtet. Politischer Erfolg entsteht aus der Kombination dieser Eigenschaften.
    Die Schweizer verachten die Touristen, obwohl sie selber den größten Teil ihrer Ferien als Touristen in anderen Ländern verbringen. Aber sie lieben ihr Geld, wie es die Völker anderer Länder mit dem Geld ihrer Touristen tun. Nur deswegen ist noch nicht das ganze Land zum Vergnügungspark verkommen.
    Diejenigen, die am lautesten nach weniger Staat schreien, verkommen zum Pfründenverteilklub, verlangen für ihre Klientel immer mehr und wollen den anderen immer weniger abgeben. Aber wenn immer mehr Leute zu dumm zum Lernen und zu faul zum Arbeiten sind, was ist dann von diesem Land noch zu erwarten? Reichtum durch wundersam steigende Börsenkurse? Jeder soll sich alles leisten können, aber keiner spricht über den Preis dieser Pseudodemokratisierung des Luxus, nämlich eine letztlich sinkende Lebensqualität für alle.«
    Müller war von diesem Ausbruch der Gefühle völlig überrascht. Er wusste nichts zu erwidern.
    Lucy gab noch einen

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