Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot
überlebt.«
»Und Däppen musste gehen«, stellte Spring fest.
»Ja.«
»Deshalb hatte er genügend Zeit für Filmaufnahmen«, mutmaßte Müller, »da er keine Arbeit mehr hatte.«
»Doch«, sagte der Direktor. »Er hat sich selbstständig gemacht. Däppen ist ins Termingeschäft eingestiegen.«
»Aber er hat nicht mehr für Sie gearbeitet«, stellte Spring fest.
Der Direktor druckste herum. »Er stand nicht mehr auf unserer Lohnliste. Allerdings hatte er nach wie vor einen Riecher für gute Gelegenheiten. Deswegen habe ich Kapital für seine Geschäfte abgezweigt, es aber nur um die jeweiligen Gewinne aufgestockt.«
»Woher er weiteres Geld hatte, wissen Sie nicht?«, fragte Müller.
»Nein, danach fragt man einen freien Händler nicht.«
»Er hat keine Verluste mehr gemacht?«, wollte der Detektiv weiter wissen.
»Es gab natürlich Schwankungen. Termingeschäfte oder Futures sind mit unabsehbaren Risiken verbunden.«
»Womit hat er sein Geld verdient?«, hakte Spring nach.
»Hauptsächlich Nahrungsmittel. Kaffee, Tee, vor allem Getreide. Wegen der langen Produktionszeit lässt sich recht gut abschätzen, welche Preise erzielt werden können. Doch Geld verdient man nur, wenn man die Unwägbarkeiten des Marktes schnellstmöglich ausnützen kann.«
»Und die wären?«, fragte Müller.
»Überraschender Frost, Unwetter, Hagelschlag, Dürren, Pilzkrankheiten, aber auch Schwankungen auf der Abnehmerseite.«
»Alles Elemente, die man als Einzelner nicht beeinflussen kann«, stellte der Störfahnder fest.
»Genau. Man muss dementsprechend nah dran sein an der Marktentwicklung. Vor ein paar Tagen allerdings habe ich einen Riegel geschoben.«
»Warum?«, fragten beide gleichzeitig.
»Es gibt ab 20. Juli dieses Jahres zwei neue Futures-Angebote. Das erste im Bereich Veredelungskartoffeln. Das zweite bei Ferkeln und Schweinen.«
»Was ändert das im Vergleich zu Getreide?«, wunderte sich Heinrich Müller.
»Bei Kartoffeln nicht sehr viel. Die Schweineproduktion hingegen ist nicht von saisonalen Schwankungen abhängig, sondern von Konsumentscheidungen der Käufer. Ausgerechnet in Zeiten drohender Schweinegrippe-Pandemie wollte sich Tom Däppen auf dieses extrem spekulative Geschäft einlassen.«
»Die Schweine haben nichts mit der Grippe zu tun«, wunderte sich Müller.
»Nein, aber die Psychologie des Kaufverhaltens weiß davon nichts. Die Leute reagieren panisch, und der Preis zerfällt. Die Ware wird unverkäuflich.«
»Wie hat die Sache geendet?«, fragte Spring.
»Ich habe ihn abblitzen lassen. Er hat nur gelacht und gemeint, für diesen sicheren Gewinn habe er einen andern Investor an der Angel.«
Als Müller und Spring endlich wieder an der frischen Luft waren, sagte Heinrich: »Die Schweinegrippe hat zwar mit den Tieren nur am Rande zu tun. Man fragt sich trotzdem, wer hier die Schweine sind, die an jedem Nahrungsmittelverkauf mitverdienen wollen.«
»Deine philanthropischen Überlegungen in allen Ehren …«
»Es müsste heißen philsuine …«
»Wie bitte?«
»Na, schweinefreundliche Überlegungen, nicht menschenfreundliche«, sagte Müller.
»Du verwirrst mich. Darauf brauche ich ein Getränk, zu dem man überlegen kann. Ich möchte nämlich nur zu gerne wissen, wer die Spekulanten und Nutznießer im Hintergrund sind.«
»Das wirst du kaum erfahren«, meinte Heinrich.
»Abwarten. Es muss ja eine Buchhaltung geben«, erklärte Spring.
»Somit hast du einen hinreichenden Grund für eine Haussuchung.«
»Ja. Aber am liebsten möchte ich wissen, wer dieser geheimnisvolle Geldgeber ist. Ob sich Däppen bereits verspekuliert hat und deshalb umgebracht worden ist.«
»Oder ob er mit Geld handeln wollte, das es noch gar nicht gibt«, überlegte Müller.
»Du meinst«, Spring pfiff durch die Zähne, »aus einem Teppichverkauf …«
»Der Mensch ist darauf programmiert, sich hinzusetzen«, sagte Heinrich Müller, als sie endlich das Bauch & Kopf erreicht hatten.
»Der Mann ist darauf programmiert«, sagte Bernhard Spring, »sich neben eine Frau zu legen, die er sich schön denkt. Die Fantasie besiegt die Realität. Ein wenig Alkohol trägt Entscheidendes zu diesem Prozess bei.«
»Dazu musst du noch ordentlich was in dich reinschütten«, resümierte Müller.
»Wie seid ihr denn drauf?«, fragte Leonie, als sie zur Tür hereinkamen.
»Trunksüchtig«, antwortete Heinrich, der sich langsam in sein Alter Ego Henry verwandelte. »Wir haben nämlich ein Problem, bei dem du uns
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