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Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot

Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot

Titel: Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Lascaux
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waren sekundenschnell verflogen und wichen einer Befangenheit, der man auch mit mehr Alkohol keinen Ausdruck mehr geben konnte. Nun bewegte sich die amorphe Masse vor dem Kloster Schritt für Schritt auf das Gasthaus zu. Die Angst wandelte sich zu Panik, und so rasch es ging, rannten alle zurück in das massige Gebäude. In einer Minute waren alle Läden, die im selben Blau wie das Gesicht bemalt waren, geschlossen. Damit hofften die Eingesperrten, dem Ansturm der Wahnsinnigen standzuhalten, da aus der kantonalen Anstalt noch nie eine derartige Bedrohung hervorgegangen war.
    Die Erscheinung hatte zudem eine atmosphärische Störung bewirkt, die den Handyempfang beeinträchtigte. Doch als sich jemand daran erinnerte, dass es auch noch Festnetzleitungen gab, musste der Wirt gestehen, dass er diese aus Kostengründen gekündigt habe.
    Man saß in der Falle.
    Draußen die Bedrohung durch die Menschenmasse, am Himmel immer noch die letzten Fetzen der unerklärlichen Erscheinung, und niemand da, der wusste, was dies zu bedeuten hatte. Glücklicherweise waren die Angestellten der Psychiatrischen Klinik ebenfalls aufgescheucht worden und hatten das Spektakel miterlebt, behielten jedoch kühlen Verstand. Es gelang ihnen, die Insassen der Anstalt so weit zu beruhigen, dass sie sich hinter die schweren Mauern des Klosterbezirks zurückzogen.
    Daraufhin gab der Wirt eine Runde Freigetränke aus. Er konnte es sich leisten, nämlich für Tage würde der Bären zum Versammlungslokal werden. Bis die Angelegenheit geklärt und der letzte Bewohner von Bellelay beruhigt war, würde noch so manches Glas Bier und Wein eine Kehle hinunterfließen müssen.
     
    »Was hast du dir bloß dabei gedacht?«, wiederholte der Störfahnder.
    »Wir wollten dich ja noch anrufen. Ich hab mein Handy gezückt. Kein Empfang! 99,8 Prozent der Bevölkerung kann jederzeit mit dem Handy telefonieren, bluffen die Anbieterfirmen. Aber nur, wenn die Bevölkerung brav zu Hause bleibt, wo die Bevölkerung gar kein Handy braucht. Kaum bewegt sie sich außerhalb der eigenen Wände, ist das Netz weg. In den Alpen: kein Kontakt; im Jura: kein Netz; im Emmental: keine Verbindung; im Justistal: Handy, was ist das?«
    »Natürlich tragen auch elektromagnetische Interferenzen zum Ausfall des Netzes bei.«
    »Kann sein«, sagte Pascale Meyer. »Wer immer so was verursacht.«
    »Sagen wir mal, Cäsar Schauinsland und du?«
    »Das hat der Direktor der Klinik gesagt?«
    »Natürlich nicht.« Bernhard Spring schüttelte den Kopf. »In Bellelay weiß keiner, dass es euch gibt. Aber mir ist es bekannt, das müsste genügen.«
    »Dann lass sie doch ihre Aufregung genießen.«
    »Weshalb dieses Kaff im Jura?«, wollte Spring wissen.
    »Weibliche Intuition«, trotzte Pascale, »und Recherchen.«
    »Was sagt uns deine Intuition?«, fragte der Störfahnder.
    »Du hast letzthin festgestellt, dass wir irgendetwas übersehen hätten.«
    »Ja, schon.«
    »Da habe ich mich mit Cäsar Schauinsland zusammengesetzt, wir haben die Liste der Verdächtigen durchgearbeitet …«
    »Darf jetzt jeder hier aus dem Kanton in unserem Fall ermitteln?«, fragte Spring, und eine gewisse Verzweiflung in seiner Stimme war unüberhörbar.
    »… und festgestellt, dass eventuell einer der Schauspieler in Frage kommt. Pierre Roth besitzt eine Wohnung in Bellelay, sein Elternhaus. Wir haben das Ganze so durchgespielt, als ob er der Täter wäre. Er musste sich also verstecken. In Bern hat er sich nicht aufgehalten, das haben wir überprüft. Deshalb sind wir in den Jura gefahren.«
    »Um dort die ganze Bevölkerung mit einem von euren Spektakeln aufzuschrecken.«
    »Na ja«, entschuldigte sich Pascale. »So viele Einwohner gibt es da nicht. Jedenfalls weniger als in Sigriswil. [12] Außerdem musst du zugeben, dass diese Hologrammmaschine eine tolle Erfindung ist.«
    »Pierre Roth konntet ihr damit nicht aus seinem Versteck, wie ihr seine Wohnung nennt, hervorlocken.«
    »Kann sein, dass wir die Aufführung noch ein wenig optimieren müssen.«
     

Montag, 27. Juli 2009
    Leonie und Heinrich saßen beim Frühstück am Ecktisch im Bauch & Kopf, als Nicole dazu kam, sich ein Stück knuspriges Chnebubrot griff und die Berner Zeitung schwenkte.
    »Schon gelesen?«, fragte sie und warf sie auf den Tisch. »Da glaubt man, man arbeite mit der Polizei zusammen, und wenn mal etwas aus dem Ruder läuft, hört man gar nichts mehr.«
    »Die Himmelserscheinung von Bellelay«, las Heinrich.
    Ein anonymer Augenzeuge hatte

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