Heirate mich, Prinzessin!
„Was meinst du damit?“
„Du glaubst doch, dass er schuld daran ist, dass dich deine Familie nicht anerkannt hat. Jetzt hast du einen Weg gefunden, dich dafür zu rächen.“
Wütend schüttelte Ferruccio den Kopf. „Die Anerkennung meiner sogenannten Familie ist mir herzlich egal. Nur zwei D’Agostinos sind mir wirklich wichtig, und die sind nur äußerst weitläufig mit mir verwandt. Blutsbande werden furchtbar überschätzt, glaub mir. Wichtig ist nur der Mensch, dem du vertrauen kannst und der dich so akzeptiert, wie du bist. Die Meinung der restlichen D’Agostinos interessiert mich nicht, und ich bin froh, dass das arrogante Pack keine Gelegenheit hatte, mich auf meinem Weg zu behindern. Dein Vater hat mir einen großen Dienst erwiesen, indem er sie von mir ferngehalten hat. Wenn ich ihn also bestrafe, dann nur deinetwegen, Clarissa.“
Sie packte seinen Arm. „Du wirst ihm nicht zu nahe kommen, hörst du?“, schrie sie ihn an. „Oder du siehst mich nie wieder.“
„Er hat dich misshandelt.“
„Nein, hat er nicht. Er hat mich beschützt!“
„Vor wem? Wer hätte einer Prinzessin so etwas antun können? Wer außer ihm hätte Gelegenheit dazu gehabt?“
„Meine … meine Mutter“, gab sie leise zu.
Entsetzt schaute er sie an. „Aber … warum?“
Sie schüttelte abwehrend den Kopf. „Ich will nicht darüber sprechen, Ferruccio.“
„Als ich aus meinem Albtraum erwacht bin, hast du nicht lockergelassen, bis ich dir alles erzählt habe“, warb er um ihr Vertrauen. „Du wolltest mir helfen. Willst du mir nicht erlauben, dasselbe für dich zu tun?“
„Es ist Vergangenheit. Das Ganze ist zwanzig Jahre her.“
„Aber es hat sich dir tief eingebrannt, Clarissa. So tief, dass du heute noch zusammenzuckst, wenn jemand nur die Hand hebt.“
Clarissa schwieg.
„Also?“, forderte er sie sanft auf.
„Du hast mir eigentlich kaum etwas erzählt“, wandte sie ein. „Weshalb sollte ich jetzt offener sein?“
„Du brauchst mich bloß zu fragen, dann werde ich dir jedes Detail berichten – falls du es ertragen kannst. Jetzt fang an.“
Clarissa wurde klar, dass es kein Entrinnen gab. Achselzuckend bemerkte sie: „Meine Mutter hatte Eheprobleme …“
„Und hat ihren Frust an dir ausgelassen?“
„Ich glaube, sie war psychisch krank.“
„Du glaubst es nur? War sie nicht in Behandlung? Gab es keine Diagnose?“
„Sie hat nie zugegeben, dass irgendetwas mit ihr nicht in Ordnung war. Wahrscheinlich war sie psychisch gar nicht in der Lage, es zu erkennen. Meine Mutter war eine sehr schöne Frau und hatte schon als Teenager Verehrer. Doch ihr Vater, reich und mächtig, wie er war, glaubte, dass alle Männer, die sich für sie interessierten, nur hinter ihrem Geld her waren. Wenn sie jemanden ermutigte, hielt er sich für berechtigt, sie zu ‚disziplinieren‘, wie er es nannte.“
„Heißt das, er hat sie noch geschlagen, als sie schon alt genug war, um zu heiraten?“
„Willst du, dass ich erzähle, oder willst du gleich alles analysieren?“, fragte sie schroff. Er setzte eine gespielt schuldbewusste Miene auf und bedeutete ihr mit einer Handbewegung fortzufahren. „Mein Großvater arrangierte ihre Ehe mit meinem Vater, der gerade zum König von Castaldinien gewählt worden war. Es gab eine Märchenhochzeit, nacheinander wurden zwei männliche Erben geboren, alles schien perfekt. Doch unter der glänzenden Oberfläche gab es die ersten Risse. Ich wurde gezeugt, als meine Eltern das letzte Mal versuchten, ihre Ehe zu retten. Nach meiner Geburt trennten sie sich inoffiziell, jeder zog in einen eigenen Flügel des Palastes, und meine Mutter konzentrierte ihre ganze Aufmerksamkeit auf mich.“
„Sie ließ dich nicht barfuß am Strand laufen, du durftest die Sonne nicht auf deiner Haut spüren, nicht schwimmen gehen wie andere Kinder. Sie sagte dir, dass diese Dinge nicht gut für dich seien, und hat dich benutzt, um sich von ihrem eigenen Unglück abzulenken. Während sie dich zu ihrer Hauptaufgabe machte, bist du an ihrer Fürsorge fast erstickt. Und als sie herausfand, dass sie trotz allem noch todunglücklich war, hat sie dich dafür bestraft.“
Clarissa seufzte. „Ich höre auf zu erzählen, da du ja bereits die große Psychoanalyse gestartet hast. Schreib doch ein Buch über den Charakter und die Beweggründe meiner Mutter.“
„Mein Erfolg gründet sich nicht zuletzt darauf, dass ich in der Lage bin, Menschen schon nach kürzester Zeit richtig einzuschätzen“,
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