Heirate mich, Prinzessin!
entgegnete er.
Es nervte sie, wie unbeirrbar selbstsicher er war. Und was sie noch mehr nervte, war, dass er recht hatte. „Na gut. Du bist so genial, dass ich manchmal das Gefühl habe, du könntest Gedanken lesen. Können wir das Thema jetzt beenden?“
„Um über eine andere Sache zu reden, die uns beiden am Herzen liegt und die wesentlich erfreulicher sein wird, als es deine Erfahrungen mit deiner Mutter waren? Alles zu seiner Zeit. Du hast deine Geschichte noch nicht zu Ende erzählt. Erklär mir, welche Rolle dein Vater bei all dem gespielt hat. Wo war er, wenn deine Mutter dich misshandelt hat?“
„Hör auf, meinen Vater da mit reinzuziehen. Das werde ich nicht zulassen. Er war König und hatte sich um sein Land zu kümmern. Falls du jemals seinen Platz einnimmst, wirst du feststellen, dass es sich dabei um eine äußerst schwierige Aufgabe handelt. Meine Mutter behielt mich die meiste Zeit bei sich, und mein Vater hatte keinen Grund, anzunehmen, dass es mir schlecht ging. Bis zu meinem fünften Lebensjahr war auch alles einigermaßen in Ordnung, abgesehen davon, dass ich auf Schritt und Tritt bewacht und kontrolliert wurde. Danach entwickelte ich mich zu einem ziemlich wilden, rebellischen Kind, hörte nicht zu und weigerte mich, irgendetwas zu tun, bis meine Mutter ausrastete.“
„Du hast bloß versucht, ein selbstständiger Mensch zu werden.“
„Ich war trotzig, frech, ungezogen, und ich glaube, ich habe meine Mutter zur Weißglut getrieben.“
„Das hat sie dir eingeredet, nicht wahr?“, murmelte er.
„Na ja, sie meinte immer, wenn ich mich nicht so unmöglich verhalten würde, hätte sie keinen Grund, mich zu schlagen.“
„Die übliche Ausrede. Menschen wie deine Mutter geben ihrem Opfer das Gefühl, schuld an den Misshandlungen zu sein.“
„Wahrscheinlich stimmt das“, gab sie nachdenklich zu. „Außerdem hasste sie mich, weil ich meinem Vater so ähnlich war. Ich habe sie immer daran erinnert, dass er sie nicht mehr liebte. Aber ein paar Tage nach meinem achten Geburtstag kam Durante unangemeldet in mein Zimmer und sah … und sah, wie …“
„Wie deine Mutter dich geschlagen hat. Auf welche Weise hat sie dich misshandelt, Clarissa?“, wollte er wissen.
„Auf welche Weise? So, wie es vermutlich alle Leute machen.“
„Ich habe mich in meinem Leben oft geschlagen. Mit Kerlen, die größer und stärker waren als ich, oder mit Angreifern, denen ich ebenbürtig war. Da ich diese Männer stoppen wollte, habe ich sofort auf das Gesicht gezielt. Aber ich hoffe, deine Mutter hat das nicht getan. Sie kann es nicht getan haben, denn die Schrammen und blauen Flecken wären aufgefallen. Da du nie an den Strand durftest und immer von Kopf bis Fuß bekleidet sein musstest, konnte sie die Folgen ihrer Misshandlungen verbergen. Verrückt, dass sie in ihrem Zustand noch so viel Umsicht besessen hat“, fügte Ferruccio sarkastisch hinzu.
Clarissa fühlte, als würde ihr der Boden unter den Füßen weggezogen. Wie hatte er es bloß geschafft, dass sie diese Dinge preisgab?
„Auf welche Weise hat sie dich misshandelt, als Durante sie erwischt hat?“, beharrte er.
„Sie … sie hat mich getreten. In den Bauch.“
Ferruccio fuhr auf. „Ich hoffe, er hat es ihr mit gleicher Münze heimgezahlt.“
„Hättest du das getan?“, fragte sie.
Er lächelte grimmig. „Und ob ich das hätte.“
„Durante ist anders. Er kann keiner Fliege etwas zuleide tun. Und er hat meine Mutter sehr geliebt. Ihre Depressionen haben ihn sehr belastet, und er war geschockt, als er sah, wie sie mich schlug. Alle hatten immer gedacht, ich sei ihr Ein und Alles. Er riss sie weg von mir, aber sie spuckte ihm ins Gesicht und trat nach ihm, schrie, sie hasse mich, weil ich meinem Vater so ähnlich sehe. Durante nahm mich mit, und von da an kümmerte sich Antonia um mich. Ich lebte nun bei meinem Vater, meine Mutter hatte keinen Zugriff mehr auf mich.“
„Was geschah danach mit deiner Mutter?“
„Sie … sie gab auf. Es schien, als falle sie in sich zusammen wie ein Gebäude, dem man das Fundament entzieht.“
„Dich zu misshandeln gab ihr Lebenskraft, nicht wahr?“
„Bitte, Ferruccio, sie ist immer noch meine Mutter!“
„Dieses Recht hat sie verspielt“, konterte er.
„Die Dinge sind nicht immer nur schwarz oder weiß“, antwortete Clarissa ruhig. „Als ich älter wurde, kümmerte ich mich um sie. Ich wurde so etwas wie ihre Pflegerin, jedenfalls bis ich aufs College ging. Sie war so anders
Weitere Kostenlose Bücher