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Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Titel: Heiraten für Turnschuhträgerinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Filippa Bluhm
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damenhafte Frauenstimme, ich möge mich bitte einen Moment gedulden, der nächste freie Apparat sei für mich reserviert.
    »Ich will mich aber nicht gedulden«, meckere ich leise vor mich hin, »ich bin müde, und außerdem hab ich einen mordsmäßigen Kohl…«
    »Gutshof Waldeck, mein Name ist Estelle Lohmeier, was darf ich für Sie tun?«
    »Oh, äh, guten Tag, Charlotte Michalski hier, ich wollt nur fragen, ob Sie für heut Nacht noch ein Doppelzimmer haben.«
    Ich merke, dass meine Stimme unangemessen schroff klingt, aber nach diesem Tag hab ich von Freundlichkeiten die Nase voll, und zwar gestrichen, und das bis hier. Doch die Dame antwortet unbeeindruckt liebenswürdig, dass man uns gerne als Gäste willkommen heiße.
    »Allerdings sind nur noch unsere kleinen Jagdzimmer frei. Keine Kutscherzimmer und auch keine Markgrafenzimmer.«
    »Macht nix, Jagdzimmer klingt super«, antworte ich. »Nur noch eine Frage: Ob wir bei Ihnen noch was zum Abendessen kriegen?«
    »Ich reserviere Ihnen gerne einen Tisch in unserem Restaurant. Darf ich fragen, um wie viel Uhr wir mit Ihnen rechnen dürfen?«
    »Keine Ahnung, vielleicht um sieben?«
    »Dann ist um 19 Uhr ein Tisch für Sie reserviert!«

    Eineinhalb Stunden später fahren wir durch ein Tor, dessen schmiedeeiserne Gitter sich wie von Geisterhand vor unserem Leihwagen öffnen. Wir rollen die lange Auffahrt hinunter, vorbei an scheinwerferbeleuchteten Nebengebäuden, die wie gepflegte Kuhställe aussehen, bis wir zu einer mittelgroßen, festlich beleuchteten Villa kommen. Ich denke mir nichts, sondern springe einfach aus dem Wagen, stapfe zum Kofferraum und hieve gedankenlos unsere Reisetasche heraus. Georg fährt weiter, um einen Parkplatz zu suchen. Ich sehe noch das Messingschild mit der Aufschrift »Relais & Château«, aber auch da fällt bei mir der Groschen nicht. Es fällt nicht einmal eine Ein-Lira-Alumünze. Ich stapfe mir unter dem Säulenportal vor der Schwingtür den Schnee von den Schuhen und trete ein.
    In dem Moment wird mir alles klar.
    Zuerst ist überall Glitzern. Dann sehe ich die antiken Möbel, die silbernen Kerzenständer, die polierten Kirschholztischchen, die eleganten Ledersofas. Leise Musik plänkelt, ein Feuer prasselt im Kamin. Eine Dame lächelt mir entgegen, eine Dame in sehr edlem Kostüm und mit feintoupiertem Haar. Doch als ich einen Schritt auf sie zumache, gefriert das Lächeln in ihrem Gesicht. Ich blicke an mir hinab und stelle fest, dass ich nicht nur meinen ältesten Winterparka und Turnschuhe trage, sondern dass diese Turnschuhe obendrein auch noch völlig schlammverkrustet sind, bis hoch zu den Beinen meiner Jeans. Mein Haar sieht vermutlich aus, als sei ich gerade aus einem Müllcontainer geklettert, immerhin sind wir heute wieder und wieder durch den Schneesturm gestapft.
    Plötzlich habe ich den dringenden Wunsch, mich wegzublinzeln, wie die bezaubernde Jeannie. Ich blinzele sogar, aber als ich die Augen wieder öffne, steht das frostige Fräulein immer noch da.
    »Guten Abend«, sagt die Dame und sieht mir befremdet ins Gesicht. In diesem Augenblick verfluche ich sämtliche Gutshöfe Mecklenburgs. Am allermeisten den, in dessen Lobby ich eben eine dreckige Fußspur auf dem Marmorboden hinterlassen habe. Und ich verfluche mich. Ich habe immerhin ein Paar Pumps in der Tasche. Warum habe ich die nicht angezogen, und zwar vor der Tür?
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Ja, Michalski mein Name. Ich habe vorhin telefonisch ein Zimmer reserviert.«
    Ich reiße mich zusammen und strahle sie freundlich an. Die Dame verschwindet hinter dem zierlichen Biedermeier-Sekretär, der offensichtlich als Rezeption dient. Ganz kurz fürchte ich, dass sie bei der Polizei anrufen will, um zu melden, dass hier eine Landstreicherin abzuholen ist. Aber sie tippt nur ein bisschen im Computer herum, verlangt meinen Ausweis und meine Kreditkarte und legt mir schließlich einen Wisch zur Unterschrift hin. Ich wage es nicht, nach dem Zimmerpreis zu fragen, weil ich weiß, dass nonchalante Ignoranz in Geldfragen die einzige Möglichkeitist, diese Situation halbwegs würdevoll durchzustehen.
    In diesem Moment kommt Georg zur Tür herein. Sein Gesicht sieht nicht weniger verdutzt aus als meines vorhin.
    »Zimmer vier, die Treppe nach oben in den ersten Stock und dann nach rechts«, sagt die Dame und reicht mir den Schlüssel.
    »Danke schön«, stammele ich und erstarre, als ich den roten Läufer sehe, der über die gewendelte Treppe nach oben führt. Er

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