Heiraten für Turnschuhträgerinnen
in der man Symphoniekonzerte geben kann. Und: Seit der Panne in Beetzow hat sie einen besonderen Ehrgeiz, was Hochzeiten angeht. Wenn Sie wollen, könnten wir Sie dort gerne gleich morgen anmelden«, bietet Frau von Bismarck an.
»Und was machen wir mit Schloss Beetzow?«
»Fahren Sie hin – oder sagen Sie gleich ab. Das zumindest würde ich empfehlen.«
Wir nicken.
»Soll ich Ihnen Ihr Dessert nicht hierherkommen lassen? Dann müssen Sie hinterher nicht noch einmal aufstehen«, sagt Herr von Bismarck, offensichtlich fest entschlossen, das Thema zu wechseln.
»Oh, das wäre ja toll«, sage ich.
»Was bekommen Sie denn Feines?«, fragt Frau von Bismarck neugierig.
»Irgendwas mit Schokolade, ich weiß nicht mehr genau.«
»Das Soufflé von der Valrhonaschokolade mit Mandarinenragout und weißem Mokka-Eis?«
Ich nicke und denke an meinen Hosenbund, der sich noch genauso straff um meinen Bauch spannt wie vor einer Stunde. Frau von Bismarck jedoch schließt die Augen und seufzt verzückt.
»Das Soufflé! Ich würde alles dafür tun, wirklich alles . Leider habe ich mir für dieses Jahr eine Diät verordnet.«
»Diese Diät verordnest du dir ebenfalls seit zwanzig Jahren«, sagt ihr Mann.
Sie seufzt und sieht ihn schuldbewusst an.
»Na los, bestell dein Soufflé, bevor die Jungs in der Küche zu putzen anfangen.«
»Meinst du?«, sagt sie und sieht ihn an wie ein Kind, dem seine Eltern erlauben, bis Mitternacht fernzusehen.
»Das war nett mit den beiden, oder?«, sagt Georg, als wir zwei Flaschen Rotwein und drei Schnapsrunden später endlich nebeneinander in den gebügelten Laken liegen.
Ich nicke. Ich bin zu betrunken, um noch irgendetwas anderes als Grunz- und Schnarchgeräusche hervorzubringen. Georg nimmt mich in den Arm und fängt an, mich sanft zu streicheln. Erst meinen Hals, dann meine Hüfte und schließlich meinen Bauch, der sich anfühlt, als würden sich darin Drillinge anbahnen, aber vermutlich noch fieser aussieht.
»Ich werde dich auch immer lieben. Selbst, wenn du ein bisschen dicker wirst.«
In diesem Moment möchte ich ihn ermorden, wirklich. Leider bin ich zu schwach dafür.
Ich wache auf aus einem Traum, in dem ein Buntes Bentheimer Landschwein über eine Matschwiese fegt und daeinen Brautschleier trägt. Ich verzichte darauf, Georg zu wecken. Ich will abnehmen, und zwar sofort. Am liebsten fünf Kilo, gleich hier auf der Stelle. Schon lange habe ich mich unter der Dusche nicht mehr so schlecht gefühlt. Außerdem habe ich schon wieder einen Kater. Verzweifelt halte ich mein Gesicht in den Wasserstrahl, als würde ich dadurch Pfunde verlieren oder zumindest meine miese Laune, da öffnet sich die Duschkabinentür.
»Ach!«, ruft Georg entzückt. »Du bist so wunderschön!«
Er steigt aus seinen Boxershorts und zu mir in die Dusche. Er nimmt mich in den Arm und presst sich innig an mich. Er streichelt meinen Nacken, er streichelt meinen Rücken, er streichelt meinen Hintern. Ich packe seine Hand und zische: »Nicht!«
»Was ist denn?«, fragt er enttäuscht.
»Ich bin fett. Das ist.«
»Was?«
»Ich werde jetzt abnehmen.«
»Aber …«
Aber als ich eine halbe Stunde später das prachtvolle Frühstücksbuffet sehe, vergesse ich mein Vorhaben wieder. Zum Glück, denn die Croissants sind so köstlich, dass ich meine Kinder für sie verkaufen würde, wenn ich denn welche hätte. Und als die von Bismarcks eine halbe Stunde später mit einem handbeschriebenen Zettel an unseren Tisch treten, bin ich mit mir, meinem gut gefüllten Bauch und der Welt wieder restlos versöhnt.
Dann sitzen wir abermals im Auto, und endlich ist alles so, wie ich es mir vorgestellt habe: Sanft wiegen uns die Landstraßen, zufrieden surrt der Motor, Georg blickt über die Hügel, als wäre das alles seins, und genau in dem Augenblick, in dem wir von der Hauptstraße abbiegen, hört es aufzu schneien. Die Sonne bricht durch, als wir langsam eine schmale Allee hinabfahren, auf deren Bäumen der Schnee glitzert. Einzelne, winzige Flocken fliegen noch durch die Luft, sie funkeln wie Glitter. Dann sehen wir das Schild.
GUT KLEIN SCHÖNHAGEN
Herzlich willkommen!
Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Georg sich im Sitz aufrichtet, den Blinker setzt und nach links abbiegt. Wir rollen die Einfahrt hinab, biegen auf den Parkplatz ein, Georg dreht den Zündschlüssel um, und der Motor erstirbt. Wir sehen uns um, dann sehen wir uns an, und ich bin fast zu angespannt, um zu sagen, was ich empfinde, aber schließlich
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