Heiss wie der Sommer
hatte. „Das hier ist doch keine vernünftige Arbeit, Doreen! Es wird Zeit, dass du mal was anderes versuchst.“
„Du verstehst das nicht“, flüsterte sie unter Tränen. „Mit Davie hast du alle Hände voll zu tun! Er hat einige Probleme. Und Roy … du weißt nichts darüber, wie er ist. Er wird sich auf die Lauer legen. Du hast ihm heute deine Meinung gesagt, und das wird er nie vergessen. Selbst wenn er den Rest seines Lebens damit verbringen muss – er wird einen Weg finden, um es dir heimzuzahlen. Und wenn er die Gelegenheit dazu bekommt, dann wird das hässlich enden.“
„Mit Roy komme ich schon klar“, hielt Tyler dagegen. „Ich glaube, das größere Problem besteht darin, was er dir oder Davie antun könnte. Lass mich dich irgendwo hinbringen, wo du in Sicherheit bist, Doreen. Noch heute Abend. Es gibt Frauenhäuser, oder du übernachtest bei Cassie …“
Mit einem Mal war Doreens Miene wie versteinert. „Ich weiß, wie es in diesen Frauenhäusern zugeht. Meine Mutter und ich sind von einem zum anderen gezogen, als ich noch ein kleines Mädchen war. Diese Kirchenfrauen, die einen von oben herab behandelten. Kleidung aus zweiter Hand. Das war wie im Gefängnis, und mein Dad wurde nur noch gemeiner zu uns, wenn er uns dort aufspürte. Und das schaffte er jedes Mal.“
„Das ist lange her, Doreen. Die Zeiten haben sich geändert.“
„Nimm Davie mit zu dir nach Hause“, forderte sie ihn abweisend auf, da Wut und Scham und Frust und Gott weiß was noch alles auf sie einstürmten. „Du wirst ihn bald wieder loswerden wollen.“
„Vielleicht ja“, stimmte er ihr zu, doch dann erinnerte er sich an die vielen Male, als Cassie sich Jake Creed in den Weg gestellt hatte, um zu verhindern, das der seinen jüngsten Sohn zurück nach Hause schleifen konnte. Was wäre aus ihm geworden, wenn sich Cassie nicht so für ihn eingesetzt hätte? Und wenn sich seine Brüder nicht für ihn stark gemacht hätten?
Es wurde Zeit, sich dafür zu revanchieren.
Da steckte ein Junge in Schwierigkeiten. Er konnte nicht einfach wegsehen.
Doreen schaute auf die Armbanduhr, dabei lugte ein Teil ihrer liebsten Tätowierung unter dem Ärmel hervor: ein Phönix, der majestätisch aus der Asche aufstieg. „Tu, was du willst“, sagte sie. „Spiel den Helden, Tyler. Aber ich sage dir, du wirst es noch bereuen. Und das ist die letzte Warnung, die du von mir zu hören bekommst.“
Tyler griff nach einer Serviette und ließ sich von Doreen einen Kugelschreiber geben, dann notierte er seine Handynummer. „Ruf mich an, wenn du Hilfe brauchst!“
Sie betrachtete verächtlich die Nummer, steckte die Serviette dennoch ein.
Nachdem sie gegangen war, trank er seinen Kaffee aus und ging zur Kantine für die Angestellten. Mit dem Wachmann im Korridor war er zur Schule gegangen, und er hatte viel Zeit mit Jim Huntinghorse verbracht, als der das Council Fire Casino noch geleitet hatte, daher hielt ihn niemand auf. Er musste niemandem erklären, was er hier zu suchen hatte.
Davie saß zusammengekauert auf einem Stuhl in dem menschenleeren Raum und hielt den Comic aus der Bibliothek in den Händen.
„Wir müssen los“, drängte Tyler.
„Und wenn er da draußen auf uns wartet?“, fragte der Junge besorgt. „Was ist, wenn Roy uns auflauert?“
„Einen größeren Gefallen könnte er mir gar nicht tun“, gab Tyler grinsend zurück.
Aber Roy war auf dem Parkplatz nirgends zu sehen, was Davie erstaunte – ganz im Gegensatz zu Tyler. Er wusste, Roy würde sich rächen. Aber nicht auf einem Parkplatz wie diesem hier, wo alle Welt mit ansehen konnte, wie Tyler ihn nach Strich und Faden verprügelte. Er war der Typ, der in einer dunklen Ecke lauerte und mit einer Eisenstange zuschlug. Oder der eine Pistole zückte.
Das war nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, doch dafür hatte Tyler sein Leben lang gelernt, sich immer umzusehen.
Und da er ein Creed war, mangelte es ihm an der nötigen Vernunft, um Angst zu verspüren.
Auf dem Heimweg hielten sie bei
Wal-Mart
an, kauften einen Schlafsack und ein Feldbett, Duschgel und anderes, außerdem Kleidung für Davie, damit er etwas zum Wechseln hatte.
„Sie erwarten doch nicht echt von mir, dass ich das hier trage, oder?“, protestierte Davie, nachdem sie wieder in Kristys SUV saßen und zu Cassie fuhren, um den Hund abzuholen. Er hielt die Jeans hoch, die Tyler für ihn ausgesucht hatte. „Die ist ja total uncool.“
„Ob du cool aussiehst oder nicht, ist noch dein
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