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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bestes tun. Das Frauenlager hat einen idiotischen Kommandanten, und der Chefarzt Dr. Dobronin ist eine Sau. Aber ich will alles Mögliche versuchen, um Dunja zu sehen. Ob du ihr als freier Mensch im Westen schreiben kannst?«
    »Dürfen ja. Aber ob jemals ein Brief ankommt?«
    »Schick sie an mich.«
    »Auch sie werden zensiert werden.«
    »Dein merkwürdiger Freund Marko –«
    »Völlig ungewiß. Marko ist verschwunden. Er ist nicht zum Abschied gekommen, er ist ein Wunder, das immer dann erscheint, wenn man es braucht. Nur jetzt ist er untergetaucht. Er wollte nicht, daß ich Rußland verlasse.«
    Die Lok zischte und pfiff. Türen wurden zugeschlagen, ein Bahnbeamter brüllte auf dem Bahnsteig, wie alle Bahnbeamte dieser Welt: »Einsteigen! Die Türen schließen! Zurücktreten!« Nur war es hier absurd, denn keiner stieg mehr ein, und nur Baranurian stand am Zug. Pjetkin ließ den Türriegel zufallen, zog das Fenster des Wagenflures herunter und beugte sich hinaus.
    »Leb wohl, Igoruschka«, sagte Baranurian und drückte Pjetkins Hände. Es war das erstemal, daß er den Kosenamen gebrauchte. »Willst du zum Schluß einen Rat? Den Rat eines Alten, Verbrauchten?«
    »Ja, Lew Dementijewitsch.«
    »Vergiß Rußland nicht.«
    »Nie … nie!«
    Der Zug ruckte an, setzte sich in Bewegung, quietschte in den Rädern und Bremsen. Pjetkin winkte durch das heruntergezogene Fenster zurück. Oberst Baranurian grüßte militärisch, in strammer Haltung, die Hand an der Mütze. Pjetkin durchrann es eiskalt. Er erinnerte sich an seinen Vater, der auch auf dem Bahnhof militärisch grüßend von ihm Abschied genommen hatte, damals in Kischinew, als sein Sohn Igor nach Sibirien, an den Amur fuhr. Es war das letzte, was er von seinem Vater gesehen hatte.
    Pjetkin zog den Kopf zurück und schob das Fenster hoch. Er suchte sein Abteil, öffnete die Tür und blieb stehen. Seinem Platz am Fenster gegenüber hockte Marko Borissowitsch Godunow, umgeben von Gläsern und Büchsen, einem Riesenkloß gebratenen Fleisches und einem Spankorb voller Eier. Er saß da inmitten seiner Herrlichkeiten und biß genußvoll in eine große, saftige Salzgurke. Ein rundes Gurkenglas balancierte auf seinen spitzen Knien.
    »Marko –«, sagte Pjetkin. In seiner Brust zuckte es. Du darfst jetzt nicht heulen, dachte er. »Ich denke, du bleibst bei Dunja?«
    »Man muß mit dem Kopf denken, Söhnchen. Zwischen Deutschland und Workuta liegt eine große Strecke. Es ist besser, man hat auf diesem Wege in der Mitte eine Station. Habe ich dir nicht von Finnland erzählt? Ich bin ein Tourist nach Helsinki. Für Jewronek kehre ich zurück nach Moskau – er wird sich jetzt vor Freude besaufen.« Der Zwerg grinste und klopfte auf den Sitz ihm gegenüber. »Komm, setz dich, Igorenka. Nimm ein Gürkchen, ein Brot mit Dauerwurst und ein Schlückchen Birkenwein. Soll uns bis Moskau der Magen sausen? Greif zu, Söhnchen … du wirst nicht mehr lange russisch essen können …«

D REIUNDVIERZIGSTES K APITEL
    In Moskau traf Pjetkin seinen Waisenhauskameraden Starobin nicht wieder. Starobin ließ sich verleugnen, das war klar. Der eine Beamte sagte: Er ist zur Kur, der andere: Er hat eine wichtige Konferenz, der dritte: Er hält gerade einen Vortrag. In Wirklichkeit saß Starobin hinter einer der hundert Türen, ein mächtiger Mensch, der aus dem Dunkel befahl.
    Marko hatte sich auf dem Bahnhof von Pjetkin getrennt. Schnell, mit wenigen Worten, als wolle er nur Papyrossi holen. Es war sicher, daß er zum Leningrader Bahnhof fuhr, um dort den Zug nach Finnland zu bekommen.
    Pjetkin meldete sich, wie befohlen, im Innenministerium, gab seinen Transportschein ab, wurde durch einige Zimmer geführt und landete schließlich bei einem Mann, der aussah wie Berija in Jugendjahren. Er trug einen altmodischen Kneifer auf der Nase und schnupfte nach jedem Wort auf, als habe er chronisches Nasentropfen und werde nicht Herr darüber.
    »Sie reisen übermorgen aus«, sagte der Mann. Er hatte eine sentimentale Stimme wie ein kirgisischer Volkssänger. Mitleidig betrachtete er Pjetkin, blätterte in einigen Papieren, rückte an seinem Kneifer und lehnte sich dann zurück. Die Hände faltete er über dem Magen, als wolle er ein Halleluja singen. »Ihre Fahrkarte erhalten Sie in Zimmer 67. Himmel noch mal, wie sehen Sie denn aus? So können Sie nicht fahren, nicht in den Westen. Sollen wir uns blamieren? Ein Arzt in solch einem Anzug. Und dieser Mantel!«
    »Oberst Baranurian hat mir beides in

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