Heiße Nächte in Mexiko - Roberts, N: Heiße Nächte in Mexiko
dem Ellbogen so fest sie konnte nach hinten. Sie verschwendete keine Zeit damit, sich umzudrehen, sondern rannte los. Ein Teppichläufer rutschte unter ihren Füßen weg, sie stolperte, fing sich, rannte in blinder Panik weiter, viel zu verängstigt, um sich umzuschauen. Noch bevor sie die Haustür erreichte, rief sie laut um Hilfe.
Ihr nächster Nachbar war knapp hundert Meter entfernt. Sie sprang über den niedrigen Gartenzaun zwischen den Grundstücken und rannte auf die Tür zu. Schluchzend taumelte sie die Außenstufen empor. Als die Tür aufgezogen wurde, hörte sie Wagenreifen auf dem Kiesweg hinter sich durchdrehen.
„Er wollte mich umbringen“, brachte sie noch hervor, dann brach sie bewusstlos zusammen.
„Mehr kann ich Ihnen leider auch nicht sagen, Mr Sharpe.“
Moralas saß in seinem ordentlichen Büro direkt im Hafenviertel. Die Akte auf seinem Schreibtisch war lange nicht so dick, wie er sich gewünscht hätte. Während der gesamten polizeilichen Untersuchung waren sie auf kein einziges Indiz gestoßen, das auf ein Motiv für Jerry Sharpes Mord hingewiesen hätte. Der Mann, der ihm auf der anderen Seite des Schreibtisches gegenübersaß, blickte starr geradeaus. In der Akte lag ein Foto des Mordopfers, und Moralas hatte das Ebenbild des Opfers direkt vor sich sitzen. „Inzwischen frage ich mich, Mr Sharpe, ob der Tod Ihres Bruders nicht vielleicht auf einen Vorfall vor seiner Ankunft hier in Cozumel zurückzuführen ist.“
„Jerry war nicht auf der Flucht, wenn Sie das meinen.“
Moralas ordnete seine Unterlagen. „Nichtsdestotrotz haben wir die Behörden in New Orleans um Mitwirkung gebeten. New Orleans war die letzte bekannte Adresse Ihres Bruders.“
„Mein Bruder hatte nie eine feste Adresse“, murmelte Jonas. So wie er nie einen festen Job gehabt hatte. Oder eine feste Freundin. Jerry war wie ein Komet gewesen, ständig in Bewegung. Ein Komet, der sich weigerte zu verglühen. „Ich habe Ihnen berichtet, was Miss Palmer erzählt hat. Jerry war wohl dabei, ein großes Geschäft an Land zu ziehen – und zwar hier in Cozumel.“
„Richtig, es hat etwas mit Tauchen zu tun, das sagten Sie bereits.“ Moralas besaß eine schier unerschöpfliche Geduld. Er holte vorsichtig eine dünne Zigarre hervor. „Obwohl wir bereits mit Miss Palmer gesprochen hatten, bin ich Ihnen dankbar für diese Information.“
„Nur wissen Sie verdammt noch mal nicht, was Sie jetzt damit anfangen sollen, oder?“
Moralas entzündete sein Feuerzeug und blickte Jonas über die Flamme mit einem schwachen Lächeln an. „Sie sind sehr direkt, Mr Sharpe, also will ich auch direkt zu Ihnen sein. Falls es eine Spur zum Mörder Ihres Bruders gegeben hat, ist sie bereits kalt und wird mit jedem Tag kälter. Es gibt keine Fingerabdrücke, keine Mordwaffe, keine Zeugen, nichts.“ Er nahm die Akte in die Hand und wedelte damit vor sich her. „Was nicht heißt, dass ich vorhabe, diese Akte zu schließen und als ungelösten Fall in meiner Schublade verstauben zu lassen. Wenn sich auf meiner Insel ein Mörder herumtreibt, gedenke ich ihn zu finden. Im Moment allerdings bin ich der Meinung, dass unser Mann meilenweit weg ist und sich vielleicht sogar in Ihrem Land aufhält. Somit bleibt uns also nur, die Aktivitäten Ihres Bruders zurückzuverfolgen, bis wir auf einen Anhaltspunkt stoßen. Und da wir schon ganz offen miteinander reden, Mr Sharpe: Sie tun weder sich selbst noch mir einen Gefallen, wenn Sie bleiben.“
„Ich werde nicht abreisen.“
„Das steht Ihnen natürlich frei – solange Sie nicht die polizeilichen Ermittlungen behindern.“ Das Telefon klingelte. Moralas schnippte die Asche von seinem Zigarillo und griff nach dem Hörer.
„Moralas“, meldete er sich knapp, dann hörte er konzentriert zu. Jonas konnte mitverfolgen, wie die buschigen dunklen Brauen des Polizisten sich enger und enger zusammenzogen. „Ja, geben Sie sie mir. Miss Palmer, hier spricht Captain Moralas.“
Jonas hatte sich gerade eine Zigarette anzünden wollen. Mitten in der Bewegung hielt er inne. Liz Palmer ist der Schlüssel zu allem, dachte er erneut. Er musste nur noch das Schloss finden, zu dem der Schlüssel passte.
„Wann? Sind Sie verletzt? Nein, bleiben Sie bitte, wo Sie sind.“ Noch im Aufstehen legte Moralas den Hörer auf. „Miss Palmer ist in ihrem Zuhause überfallen worden.“
Jonas war als Erster bei der Tür. „Ich komme mit Ihnen.“
Seine Muskeln schmerzten vor Anspannung, während der Streifenwagen
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