Heiße Nächte in Mexiko - Roberts, N: Heiße Nächte in Mexiko
durch die Stadt Richtung Strand raste. Er sprach kein Wort, stellte keine Fragen. Vor seinem geistigen Auge sah er wieder Liz, wie sie vor wenigen Stunden noch auf der Brücke am Steuer gestanden hatte, sonnengebräunt, schlank, eigensinnig. Er erinnerte sich an das zufriedene kleine Grinsen auf ihrem Gesicht, als er sich plötzlich mitten in einem Kampf mit einem Dreißigpfünder befand. Und wie sie clever die Gelegenheit genutzt hatte, um sich blitzschnell aus dem Staub zu machen, sobald sie wieder an Land waren.
Sie war überfallen worden. Warum? Weil sie mehr wusste, als sie ihm erzählen wollte? Er fragte sich, ob sie eine Lügnerin war, eine Opportunistin oder einfach nur feige. Und gleich darauf fragte er sich, wie schwer sie verletzt worden war.
Als der Streifenwagen die schmale Auffahrt entlangfuhr, sah Jonas zu ihrem Haus. Die Tür stand offen, die Rollläden waren heruntergelassen. Sie lebte allein hier, ohne Schutz, war also angreifbar. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf das kleine Rauputzgebäude auf dem Nachbargrundstück. Eine Frau in einem leichten Baumwollkleid stand auf der Veranda. Sie trug eine Schürze und hielt einen Baseballschläger in der Hand.
„Die Polizei.“ Sie nickte befriedigt, als Moralas seine Marke hochhielt. „Ich bin Señora Alderez. Sie ist drinnen im Haus.“ Sie deutete hinter sich. „Ich danke der heiligen Muttergottes, dass wir zu Hause waren, als sie zu uns kam.“
„Danke.“
Zusammen mit Moralas betrat Jonas das Haus und erblickte sie. Sie saß auf dem Sofa, den Oberkörper vorgebeugt, die Ellbogen auf die Knie gestützt, und hielt mit beiden Händen ein Glas Wein fest. Jonas konnte die Flüssigkeit im Glas hin und her schwappen sehen, weil ihre Hände so zitterten. Wie in Zeitlupe hob sie den Kopf und blickte Moralas an, dann wandte sie sich Jonas zu. Ausdruckslos sah sie ihn an, bevor sie den Kopf wieder senkte und in ihr Glas starrte.
„Miss Palmer.“ Leise sprach Moralas sie an und setzte sich vorsichtig neben sie. „Können Sie mir berichten, was passiert ist?“
Sie trank einen winzigen Schluck, presste die Lippen zusammen, dann fing sie an zu sprechen, so als würde sie einen monotonen Vortrag halten.
„Ich kam bei Sonnenuntergang nach Hause. Ich ließ die Haustür offen stehen und ging direkt ins Schlafzimmer. Die Jalousien waren heruntergelassen, dabei war ich sicher, dass ich sie am Morgen hochgezogen hatte. Die Schnur war auch nicht um den Haken gewickelt, also ging ich hin, um es zu tun. In dem Moment hat er mich von hinten gepackt. Er legte seinen Arm um meinen Hals und hielt mir ein Messer an die Kehle. Er hat mich auch damit geschnitten.“ Automatisch fuhr ihre Hand an die Stelle, die ihre aufgeregte Nachbarin schon mit viel Fürsorge verarztet hatte. „Ich habe mich nicht gewehrt, weil er mir das Messer an die Kehle hielt. Ich dachte, er würde mich umbringen. Er wollte mich töten.“ Sie hob den Kopf, schaute Moralas direkt in die Augen. „Ich konnte es in seiner Stimme hören.“
„Was hat er zu Ihnen gesagt, Miss Palmer?“
„Er sagte: ‘Wo ist es?’ Ich wusste nicht, was er meinte. Ich sagte ihm, er könne meine Handtasche haben. Er würgte mich und fragte: ‘Wo hat er es versteckt?’ Er nannte den Namen Sharpe.“ Jetzt sah sie zu Jonas. Er konnte die violetten Blutergüsse sehen, die sich an ihrem Hals bildeten. „Er sagte, die Abmachung gelte nicht mehr, und er wolle das Geld. Wenn ich ihm nicht sagen würde, wo es versteckt ist, würde er mich umbringen. Er sagte, ich würde nicht das Glück haben und einen schnellen Tod sterben, so wie Jerry. Er glaubte mir nicht, dass ich nichts weiß.“ Sie sprach jetzt direkt zu Jonas. Unter ihrem anklagenden Blick fühlte er Schuldgefühle in sich aufsteigen.
Sanft berührte Moralas ihren Arm, damit sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn richtete. „Er hat Sie gehen lassen?“
„Nein, er hätte mich getötet.“ Sie sagte es dumpf, tonlos, ohne jede Gefühlsregung. „So oder so, ob ich ihm etwas gesagt hätte oder nicht, das wusste ich. Und meine Tochter … sie braucht mich. Ich ließ mich zusammensacken, so als wäre ich bewusstlos geworden, dann habe ich ausgeholt. Ich glaube, ich habe ihn mit dem Ellbogen am Hals getroffen. Dann bin ich losgerannt.“
„Können Sie den Mann identifizieren?“
„Ich habe ihn nie gesehen. Ich habe mich nicht umgedreht.“
„Seine Stimme?“
„Er sprach Spanisch. Er muss meine Größe haben, denn er zischelte mir direkt ins
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