Heiße Nächte in Mexiko - Roberts, N: Heiße Nächte in Mexiko
Die Geschichte hatte natürlich längst die Runde gemacht. „Bist du sicher? Du siehst nicht besonders gut aus.“
Sie steckte ihr Tauchermesser ein, blickte dann mit einer spöttisch hochgezogenen Augenbraue zu ihm hin. „Vielen Dank auch.“
„Ich meine es ernst. Ich mache mir Sorgen um dich.“
„Das ist nett, aber völlig unnötig.“ Sie setzte ihre Tauchermaske auf und sah zu dem fülligen Herrn hinüber, der gerade mit seinen Schwimmflossen kämpfte. Ein eher väterlicher Typ … und für heute ihr Leibwächter. „Die Polizei hat alles unter Kontrolle“, sagte sie und hoffte, dass es auch stimmte. Wie das nun bei Jonas aussah, da war sie sich allerdings keineswegs so sicher.
Wirklich überrascht hatte er sie gestern Abend nicht. Diese unterschwellige Aggressivität hatte sie von Anfang gespürt. Seine Miene jedoch, als er Erika packte, hatte ein flaues, kaltes Gefühl bei ihr hinterlassen. Sie kannte den Mann nicht gut genug, um einschätzen zu können, wie weit er seine Gewaltbereitschaft beherrschen konnte, ob er sich und sie unter Kontrolle hatte oder ihr freien Lauf lassen würde. Rachegelüste waren immer gefährlich und unberechenbar. Woher sollte Liz also wissen, wie weit Jonas sich zügeln konnte, wenn er Vergeltung wollte? Wenn sie an den Ausdruck in seinen Augen zurückdachte, fürchtete sie, dass er seine Rache auch bekommen würde.
Das Boot schwankte leicht, holte sie aus ihren Überlegungen zurück. Sie konnte sich jetzt nicht mit Jonas beschäftigen. Sie hatte ein Geschäft zu führen und sich um ihre Kunden zu kümmern, womit sie zufrieden war.
„Miss Palmer.“ Ein junger schmalbrüstiger Amerikaner mit einem gewinnenden Lächeln kam zu ihr herüber. „Würde es Ihnen etwas ausmachen, meine Ausrüstung noch einmal zu überprüfen?“
„Nein, natürlich nicht.“ In ihrer effizienten Art kontrollierte Liz Ventile, Anzeigen und Schläuche.
„Ich bin ein bisschen nervös“, gestand er. „Ich habe so etwas vorher ja noch nie gemacht.“
„Es schadet nichts, etwas nervös zu sein. Dann passt man auch besser auf. Hier, setzen Sie Ihre Maske auf. Achten Sie darauf, dass sie bequem, aber auch absolut undurchlässig auf Ihrem Gesicht sitzt.“
Er tat es, und seine Augen wirkten hinter dem Sichtfeld groß und unsicher. „Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich da unten gern in Ihrer Nähe bleiben.“
Sie lächelte ihn zuversichtlich an. „Dafür bin ich ja da.“ Sie wandte sich an die Gruppe. „Hier an dieser Stelle kann man bis zu zehn Metern runtergehen. Achtet darauf, den Druck zu regeln, je weiter ihr nach unten kommt. Und haltet bitte auf jeden Fall immer Sichtkontakt zur Gruppe.“ Sie setzte sich auf den Bootsrand und ließ sich mit einer geschmeidigen Bewegung rückwärts ins Wasser fallen. Luis blieb vorerst noch an Deck, bis auch der letzte Kursteilnehmer im Meer war, erst dann kam er nach. So lange trat Liz einige Meter entfernt Wasser, dann zog sie ihre Maske von der Stirn aufs Gesicht herab und tauchte unter.
Liz liebte es – das Gefühl von Schwerelosigkeit, die Vorstellung, von allem frei und losgelöst zu sein. Unantastbar. Wenn man von hier nur knapp unter der Wasseroberfläche hinunter auf den hellen Meeresboden sah, konnte man sich einbilden, in der Kuppel einer großen Kathedrale zu schweben. Mit einem sanften Schlagen der Schwimmflossen tauchte Liz tiefer hinab, zusammen mit ihren Schülern.
Das frisch verheiratete Pärchen hielt sich bei den Händen und amüsierte sich ganz offensichtlich königlich. Liz erinnerte sich noch einmal daran, besonders gut auf die beiden zu achten. Der ihr zugeteilte Polizist schwamm behäbig neben ihr her wie eine träge Meeresschildkröte. Der würde also sie besonders gut im Auge behalten. Die meisten anderen blieben in der Gruppe zusammen, sicherlich fasziniert von der Unterwasserwelt, aber auch vorsichtig. Der schmächtige Amerikaner, der sich eng an ihrer Seite hielt, wandte den Kopf und sah mit weit aufgerissenen Augen zu ihr hin, in denen eine Mischung aus banger Nervosität und hellem Entzücken stand. Liz berührte seine Schulter und zeigte ihm den nach oben gerichteten Daumen. Diese Geste sollte ihm helfen, sich zu entspannen. Mühelos drehte sie sich auf den Rücken und schaute hoch zur Wasseroberfläche. Sonnenlicht fiel in dünnen Strahlen ins Wasser und brach sich funkelnd, der Bootsrumpf war deutlich über ihnen zu erkennen. Der junge Amerikaner nickte und tauchte zusammen mit ihr ab.
Fische schwammen an
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